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Lifestyle & Schlaf

Wie Rotwein unseren Schlaf beeinflusst

Rotwein gehört zu den ältesten alkoholischen Getränken.
Pari Sepehrband

Veröffentlicht von Pari Sepehrband am 05.06.2019

Ob Spätburgunder oder Cabernet Sauvignon – nach einem anstrengenden Tag greifen wir gerne mal zu einem Glas Rotwein. Das Gläschen wirkt nicht nur entspannend, sondern auch einschläfernd. Ob der Saft aus der roten Traube tatsächlich als Schlummertrunk geeignet ist und was an dem Mythos "ein Glas Rotwein am Tag ist gesund" dran ist, erfahrt ihr hier.

In Vino Veritas

Wein (aus dem Lateinischen Vinum) zählt zu einem der ältesten alkoholischen Getränke. Im heutigen Georgien fanden Forscher Spuren von Wein an Tongefäßen, die 7800 bis 8000 Jahre alt sind. Auch in der Antike war Wein ein wichtiger Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens. Er war nicht nur Genussmittel, sondern galt auch als Heilmittel und war Teil religiöser Rituale und Bräuche.

Neil Diamond und Udo Jürgens besangen die rote Perle und von einer herzhaften Pasta al Arrabiata oder einer würzigen Käseplatte ist sie kaum wegzudenken. Rotwein ist Genuss, Geschichte und Kulturgut.

Ist ein Glas Rotwein am Tag wirklich gesund?

Der Mythos besagt: Ein Glas Rotwein am Tag ist gesund. Er lässt die Weinliebhaber unter uns guten Gewissens genießen. Doch was ist dran an diesem Mythos?

Bereits in der Antike war Rotwein als gesundheitsförderndes Mittel bekannt. So verschrieb der bedeutende griechische Arzt Hippokrates (etwa 460 v. Chr.) seinen Patienten bei ihren Leiden den schmackhaften Rebensaft. Ob als Beruhigungs- oder Schlafmittel, bei Magen-Darm-Beschwerden, als Schmerzmittel oder auch bei Herz-Kreislauferkrankungen: In der alten griechischen Heilkunst galt Rotwein als Alleskönner.

Der Mythos besagt: Ein Glas Rotwein am Tag ist gesund.

Frankreich ist heute das bedeutendste Weinanbaugebiet der Welt. Auch der Konsum von Wein, insbesondere Rotwein, ist fester Bestandteil des französischen "Joie de vivre" (frz. Lebensfreude) und gehört schlichtweg zu einem genussreichen Leben dazu.

In den frühen Neunzigerjahren beobachteten Wissenschaftler ein Phänomen, welches sie als „Französisches Paradoxon“ bezeichneten: Trotz der fettreichen Ernährung war die Rate der Herzinfarkte in Frankreich um 30 bis 40 Prozent geringer als in anderen Industrienationen. Den Grund für diesen Widerspruch sahen die Wissenschaftler im starken Rotweinkonsum der Franzosen – genauer gesagt in der hohen Konzentration von Polyphenolen im Rotwein.

Polyphenole gehören zu den sekundären Pflanzenstoffen und kommen in vielen Lebensmitteln vor. Sie schützen die Pflanzen vor Bakterien- und Pilzbefällen und vor zu starker UV-Strahlung. Ihnen wird außerdem eine gesundheitsfördernde Wirkung für uns Menschen zugeschrieben. Insbesondere für die Gesundheit unseres Herzens sollen Polyphenole gut sein.

Zu den Polyphenolen, die im Rotwein vorkommen, gehören unter anderem OPC (lat. Oligomere Proanthocyanidine) und Resveratrol. OPC und Resveratol kommen im Traubenkern und in der Haut und der Schale der roten Trauben vor. Die positiven Wirkungen von Polyphenolen in Rotwein sind seit den Neunzigerjahren Gegenstand etlicher Studien. Gerade Resveratrol wird bezüglich des Rotweinkonsums positive Eigenschaften zugeschrieben.

Die gesundheitlichen Vorteile der Polyphenole beziehen sich lediglich auf einen gemäßigten Rotweinkonsum: Für gesunde Männer zwei Gläser pro Tag und für gesunde Frauen ein Glas pro Tag.

Bevor ihr nun aber im Supermarkt eures Vertrauens eine Lebensration Rotwein bestellt: Die gesundheitlichen Vorteile der Polyphenole beziehen sich lediglich auf einen gemäßigten Rotweinkonsum. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO bedeutet das für gesunde Männer zwei Gläser pro Tag und für gesunde Frauen ein Glas pro Tag.

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Polyphenolen (Resveratrol) werden folgende gesundheitsfördernde Wirkungen zugeschrieben:

Darmflora

Wie eine niederländische Studie zeigte, wirkt sich Resveratrol positiv auf die Darmflora und die Vielfalt der Darmbakterien aus.

 

Omega-3-Fettsäuren

Erhöhte Konzentration von Omega-3-Fettsäuren. Diese halten die Blutfettwerte intakt und sind für unsere allgemeine Herzfunktion wichtig.

 

Schutzfunktion für unser Gehirn

Laut Forschungsergebnissen der Johns Hopkins University School of Medicine regt das Polyphenol Resveratrol die Bildung des Enzyms Hämoxygenase an. Dieses Enzym schützt unsere Gehirnzellen vor Schäden wie bei einem Schlaganfall.

 

Antiinflammatorisch und Anti-Aging

Resveratrol wirkt entzündungshemmend. Dem Polyphenol werden antioxidative Eigenschaften zugeschrieben. Es wird auch als Anti-Aging-Mittel bezeichnet.

 

Herzgesundheit

Vorbeugung vor Arteriosklerose (Arterienverkalkung), welche im fortgeschrittenen Alter die größte Risikoquelle für Herzinfarkte darstellt.

 

Schutz vor Alzheimer

Forschungsergebnisse der Loyola University zeigten, dass ein gemäßigter Rotweinkonsum das Risiko einer Alzheimererkrankung senkt. Resveratrol hemmt das Verklumpen der Blutplättchen, hält die Blutgefäße offen und garantiert so die Blutversorgung unseres Gehirns.

Ist ein Glas Rotwein am Tag nun ratsam?

Neben den Studien, die die gesundheitsfördernde Wirkung von Rotwein (Resveratrol) bestätigen, gibt es auch Studien, die diese in Frage stellen oder widerlegen. Andere Forscher hingegen sehen die Ursache für die gesundheitsfördernde Wirkung von Rotwein eher im Alkoholgehalt als in den Polyphenolen begründet. Wieder andere Forscher verweisen auf das Zusammenspiel zwischen Alkohol und Polyphenole als Ursache. Insbesondere im Hinblick auf eine Alkoholabhängigkeit raten Experten aber zu mindestens zwei alkoholfreien Tagen in der Woche.

"Es gibt immer wieder Berichte über den positiven Einfluss eines moderaten Konsums von unterschiedlichen alkoholischen Getränken, insbesondere von Wein, auf die Herz- und Gefäßgesundheit. Andere Studien wiederum konnten diese günstige Wirkung nicht bestätigen. Wer also etwas für seine Herzgesundheit tun möchte, braucht dafür keinen Alkohol zu trinken", sagt Eckart Fleck, Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK).

Zum Bedauern aller Weinliebhaber ist die gesundheitsfördernde Wirkung von Rotwein demnach umstritten. Wer dennoch nicht auf seinen Resveratrol-Boost verzichten möchte, kann auf alkoholfreie Alternativen setzen: Erdnüsse, Weintrauben, dunkle Schokolade oder auch Cranberrysaft.

Rotwein als Schlummertrunk?

Nach einem anstrengenden und arbeitsreichen Tag ist die Entspannung am Abend wichtig. Gerade wer tagsüber unter Dauerstrom steht, sollte nach Feierabend auch mal den Stecker ziehen und das "süße Nichtstun" zelebrieren. Doch leichter gesagt als getan.

Der Feierbenddrink setzt den zeremoniellen Abschluss eines Arbeitstages und läutet Spaß und Entspannung ein.

Das Umschalten von Arbeit zu Freizeit fällt vielen Menschen nicht einfach. Gedanklich hängen wir meist noch im Tagesgeschehen fest und nehmen unsere Gedankenblasen auch noch mit ins Bett. Nicht selten sind Einschlafprobleme die Folge.

Als Entspannungshilfe kommt hier oftmals das Feierabendbier oder das Glas Rotwein zum Einsatz. Arbeitsleben und Trinkkultur sind in vielen Industriestaaten eng verwoben. Der Der sogenannte After-Work-Drink (Feierbenddrink) setzt den zeremoniellen Abschluss eines Arbeitstages und läutet und Entspannung ein.

Ob kräftiger Cabernet Sauvignon oder fruchtiger Merlot – wenige Schlücke unseres Lieblingsweines genügen und die Augen werden schwerer und der Körper träger. Der alkoholreiche Traubensaft macht uns müde und dient daher oft als Schlummertrunk.

Italienische Forscher der Universität Mailand haben 2018 in einer Placebo-kontrollierten Doppelblindstudie die mögliche Ursache dafür entdeckt. Verantwortlich für seine schlaffördernde Wirkung soll das in manchen Rebsorten enthaltene Schlafhormon Melatonin sein. Das körpereigene Schlafhormon, das in der Zirbeldrüse produziert wird, reguliert unseren Schlafrhythmus und wird bei Dunkelheit ausgeschüttet.

Während der Doppelblindstudie hielten sich die zwölf Studienteilnehmer an einen festgelegten Ernährungsplan. Einige Probanden nahmen einen melatoninhaltigen Rotwein ein und einige einen melatoninfreien Rotwein (Placebo). Nach der Einnahme wurde der Melatoningehalt in Speichel und Blut der Teilnehmer untersucht. Das Ergebnis: Der Melatoningehalt nach dem Verzehr von Rotwein, der aus melatoninhaltigen Trauben hergestellt wurde, stieg deutlich an.

Rotwein statt Baldriantee?

Doch nicht jeder Wein enthält das Schlafhormon Melatonin. Zu den Rebsorten mit hohem Melatoningehalt gehören Nebbiolo, Cabernet Sauvignon und Croatina. Andere Rebsorten wiederum enthalten kein Melatonin.

Außerdem zeigen aktuelle Studien, dass bereits geringe Mengen Alkohol unseren Schlaf negativ beeinflusst. So lässt das Melatonin im Rotwein uns zwar schneller einschlafen. Doch der Alkohol stört unseren Schlafzyklus. Durchschlafprobleme und dunkle Augenringe sind vorprogrammiert.

Wissenschaftler des Londoner Sleep Centers untersuchten 2013 die Auswirkungen von Alkohol auf den Schlaf. Mit folgenden Ergebnissen:

  • In der ersten Schlafhälfte befinden wir uns durch die sedierende Wirkung des Alkohols in der Tiefschlafphase. In dieser Hälfte träumen wir nicht. Unser Körper ist damit beschäftigt, den Alkohol wieder abzubauen (Entgiftung). Eine erhöhte Schweißproduktion ist die Folge.
  • Die zweite Schlafhälfte beginnt, wenn der Großteil des Alkohols abgebaut ist und die sedierende Wirkung nachlässt. In dieser Phase stellt sich Unruhe ein und wir haben erhebliche Probleme wieder einzuschlafen. Alkohol dehydriert den Körper, indem es die Wasserspeicherung blockiert. Die Folge davon: "Brand" (Nachtdurst). Das starke Durstgefühl lässt einen mitten in der Nacht aufwachen. Ein erhöhter Harndrang führt ebenfalls dazu, dass wir immer wieder das Bett verlassen und keinen erholsamen Schlaf finden.
  • Bei starkem Alkoholkonsum kann es zudem zu einer Abnahme der REM-Phasen kommen. Die REM-Phasen (Rapid Eye Movement), die auch als Traumphasen bezeichnet werden, machen etwa 20 bis 25 Prozent unserer Schlafzeit aus. Werden unsere REM-Phasen kürzer, kann das negative Auswirkungen für unsere Gedächtnisleistung bedeuten.
  • Auch die Atmung wird durch den Alkoholkonsum negativ beeinflusst. Alkohol wirkt entspannend auf die Muskulatur. Das Gaumensegel und die oberen Atemwege erschlaffen und fördern so das Schnarchen. Insbesondere bei Menschen, die bereits unter einem Schlafapnoe-Syndrom leiden, führt der Alkoholkonsum zu einer Verstärkung der Symptome.

Genuss gehört dazu

Ein gesundes Leben schließt Genuss nicht aus. Im Gegenteil: Genuss bietet Erholung, Regeneration und steigert das Wohlbefinden. Daher ist zunächst nichts gegen einen gemütlichen Abend mit Rotwein und Pasta einzuwenden. Doch wie bei allem gilt auch hier: Das Maß und ein bewusster Umgang sind entscheidend.

Alkohol wirkt toxisch. Konsumieren wir ihn, muss unser Körper ihn wieder abbauen. Darüber sollten wir uns bewusst sein. Ein Kater kann bereits nach einem Glas Rotwein eintreten. Das kostet Körper und Geist wertvolle Energie. Wer Alkohol also als Mittel zur Stressbewältigung oder Entspannung nutzt, stellt sich letztendlich selbst ein Bein. Als Schlummertrunk ist Rotwein nicht geeignet.

Häufige Fragen zum Artikel

Pari Sepehrband

Als Schauspielerin spielte Pari auf der Bühne und schrieb ihre eigenen Theatertexte. Nach ihrer Schauspielausbildung begann sie das Studium der Publizistik und Theaterwissenschaft. Mittelpunkt ihrer Arbeit ist ein ganzheitliches Verständnis über Gesundheit als Beziehung zwischen Geist und Körper.

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