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Schlafmittel

Baldrian und Schlaf: Wie wirkt die Heilpflanze eigentlich?

Hannes Daher

Veröffentlicht von Hannes Daher am 06.05.2019

Baldrian ist eines der ältesten und bekanntesten pflanzlichen Schlafmittel der Welt. Es beruhigt und fördert den Schlaf. Wie die Heilpflanze aber genau wirkt, ist bislang umstritten. Ebenso ist unklar, welcher Inhaltsstoff für die Wirkung des Baldrians auf den Schlaf verantwortlich ist. Doch kürzlich entdeckten Forscher neue Hinweise, die diese Fragen beantworten könnten.

Baldrian und seine Inhaltsstoffe

Baldrian (lat.: Valeriana officinalis) war schon im alten Griechenland als Allheilmittel bekannt. Im Mittelalter wurde er zunächst nur gegen Augenleiden eingesetzt, bevor Mediziner im 18. Jahrhundert erstmals seine beruhigende und schlaffördernde Wirkung entdeckten. Seitdem gewann Baldrian in der Medizin zunehmend an Bedeutung.

Doch wo kommt Baldrian überhaupt vor?

Ursprünglich stammt die Heilpflanze aus Europa und Asien, wo sie bevorzugt an feuchten und nährstoffreichen Orten, wie zum Beispiel Waldböden, wächst. Die Pflanze kann bis zu 1,8 m groß werden und blüht von Mai bis September. Baldrian besitzt einen leicht behaarten Stängel und gegenständige Blätter. Die Grundblätter sind groß und werden am Stängel nach oben hin immer kleiner. Die zahlreichen Blüten bilden eine Dolde und sind weißlich bis rosa gefärbt.

Für medizinische Zwecke werden die arzneilich wirksamen Wurzeln verwendet.

Die Wurzeln bestehen zu 0,3 bis 0,8 Prozent aus ätherischen Ölen, wie zum Beispiel Kampfer. Zu 0,5 bis 2 Prozent sind sogenannte Valepotriate enthalten. Dabei ist zu beachten, dass diese Valepotriate potenziell krebserregend wirken. Man braucht sich jedoch nicht sorgen, denn in wässrigen Auszügen der Pflanze sind diese praktisch nicht vorhanden. Wer beispielsweise Baldrian als Tee oder Fertigpräparat aus der Apotheke einnimmt, setzt sich also keiner Gefahr aus.

Charakteristisch ist auch der Geruch des Baldrians. Dieser wird von Isovaleriansäure hervorgerufen, welche ebenfalls ein Abkömmling der Valepotriate ist.

Außerdem lassen sich auch sogenannte Lignane in den Wurzeln finden. Diese sind Naturstoffe, die in vielen höheren Pflanzen (wie im Baldrian) enthalten sind und schon länger als pflanzliche Sedativa eingesetzt werden. Deshalb bekamen sie auch die Bezeichnung: „Schlaflignane“.

Wie sich Baldrian auf den Schlaf auswirkt

Baldrian ist ein sehr beliebtes pflanzliches Mittel bei Schlafstörungen. Es verkürzt auf natürliche Art die Einschlafdauer und sorgt teilweise für eine bessere und längere Tiefschlafphase. Gleichzeitig stört Baldrian im Vergleich zu chemischen Medikamenten nicht den natürlichen Schlafrhythmus. Die Pflanze ist also ein besonders sanftes Mittel bei Schlafproblemen, wobei man tagsüber trotzdem noch fit und leistungsfähig bleibt.

Im Gehirn wirken verschiedene „Müdigkeits-Moleküle“. Eines davon ist auch der Botenstoff GABA (Gamma-Aminobuttersäure). Bislang nahm man an, dass das Zusammenspiel verschiedener Inhaltsstoffe des Baldrians irgendwie in den GABA-Regelkreis eingreift. Die entspannende und schlaffördernde Wirkung sollte auf einer erhöhten Ausschüttung und geringeren Wiederaufnahme vom hemmenden Botenstoff GABA beruhen. Die Folgen wären eine Erleichterung des Einschlafens und eine Verbesserung des Durchschlafvermögens.

Die Lignane des Baldrians sollen aber die Hauptwirkung ausmachen

Forscher haben nun kürzlich herausgefunden, dass die in der Baldrianwurzel enthaltenen Lignane für die schlaffördernde Wirkung verantwortlich sein sollen. Die Lignane binden an bestimmte Rezeptoren im Gehirn, die den Schlaf-Wach-Rhythmus steuern. Genauer gesagt binden sie an die Adenosin-Rezeptoren des Typen A1. Wissenschaftler konnten erstmals zeigen, dass der Extrakt der Baldrianwurzel diese Rezeptoren aktiviert und damit eine Kettenreaktion auslöst. Dies führt dazu, dass man müde wird.

Die Lignane wirken also ähnlich wie Adenosin selbst. Adenosin gilt auch als wichtiges „Müdigkeits-Molekül“, welches Schlaf induziert und sich tagsüber in den Gehirnen mehr und mehr anhäuft

Übrigens gilt Koffein als Gegenspieler und kann an die gleichen Rezeptoren binden. Koffein blockiert jedoch die A1-Rezeptoren (Adenosin-Rezeptoren) nur, bewirkt dort aber eine gegensätzliche Reaktion. Dies hat das genaue Gegenteil im Vergleich zum Adenosin oder zu den Lignanen zur Folge: Man wird oder bleibt wach.

Doch jetzt noch einmal genauer:

Die Lignane fassen nun eine gesamte Stoffklasse zusammen und man war natürlich daran interessiert, das genaue Molekül zu identifizieren, welches die beschriebene Wirkung verursacht. Die Forscher fanden heraus, dass Baldrian verschiedene Verbindungen aus der Gruppe der Lignane enthält. Als sie die Lignanverbindungen weiter untersuchten, entdeckten sie eine bisher unbekannte Verbindung, die an den A1-Rezeptor binden kann und dort eine ähnliche Reaktion hervorruft, wie Adenosin.

Warum das Lignan generell an den A1-Rezeptor binden kann, ist aber bisher völlig unklar. Es hat strukturell nämlich kaum Ähnlichkeit zum Adenosin. Aktuell versuchen die Wissenschaftler die wichtigen funktionellen Strukturbestandteile des Lignans zu isolieren, um später im Labor das Molekül so zu verändern, dass eine eventuell wirksamere Verbindung entstehen kann. Dies wäre dann ein weiterer Schritt zur Entwicklung eines neuen Medikaments zur Behandlung von Schlafproblemen.

Warum Baldrian und nicht gleich Adenosin?

Adenosin selbst ist als Beruhigungsmittel ungeeignet, denn es ist relativ unstabil im Körper und wird innerhalb von Sekunden abgebaut. Stabile Adenosin-Abkömmlinge sind ebenfalls problematisch, da sie schlecht fürs Herz sind. Im Herzmuskel kommen die A1-Rezeptoren nämlich auch vor, wenn auch die Zahl der Rezeptoren im Gehirn viel größer ist.

Eine Behandlung mit stabilen Adenosin-Abkömmlingen kann somit aber zu einer Herzmuskellähmung führen. Lignane hingegen sind nur sogenannte partielle Agonisten. Diese können nur bei einer sehr hohen Rezeptordichte, wie sie im Gehirn zu finden ist, wirken.

Wie wird Baldrian angewendet?

Baldrian wird bei Angstzuständen wie Prüfungsangst und bei innerer Unruhe sowie Anspannung eingesetzt. Außerdem ist er ein mildes Mittel für Menschen mit Einschlafstörungen und Durchschlafproblemen.

Baldrian ist in unterschiedlichen Darreichungsformen erhältlich. Man kann ihn häufig in Form von Tropfen, Dragées, Kapseln, Tees, Flüssig- oder Trockenextrakten kaufen. Besonders zu empfehlen sind dabei Tabletten oder Dragees, da sie einfach eingenommen werden können und geruchsneutral sind. Tees riechen im Vergleich eher sehr streng.

Die Empfehlung ist, Baldrian möglichst hochdosiert einzunehmen, damit es wirkt. Dabei sind mindestens 600 Milligramm Extrakt pro Tag ein Richtwert. Um seine Wirkung zu entfalten, muss Baldrian in der Regel rund zwei Wochen lang regelmäßig eingenommen werden.

Es gibt Baldrian auch in verschiedenen Kombinationen mit weiteren schlaffördernden Heilpflanzen. Beispiele sind Melisse, Hopfen oder Passionsblume.

Was ist zu beachten?

Wichtig ist, dass Baldrian den Schlaf nicht unbedingt nach der ersten Einnahme verbessert. Oft müssen Präparate mindestens zwei Wochen lang eingenommen werden, bis sich die Effekte bemerkbar machen.

Neben seinen positiven Wirkungen kann Baldrian aber auch die folgenden Nebenwirkungen haben:

  • Magen-Darm-Probleme
  • Allergischen Reaktionen
  • Kopfschmerzen
  • Schwindel

Baldrian sollte generell nicht zusammen mit anderen Beruhigungs- oder Schlafmitteln und auch nicht mit alkoholischen Getränken eingenommen werden. Außerdem ist Baldrian in der Regel nicht für Schwangere, Stillende und Kinder unter zwölf Jahren geeignet.

Häufige Fragen zum Artikel

Hannes Daher

Master der Biochemie

Hannes ist Master der Biochemie und hat sich schon immer für die molekularen Voraussetzungen des gesunden Schlafs interessiert. Als angehender Wissenschaftler wurde ihm schnell bewusst, dass guter Schlaf ein Schlüsselfaktor ist, um am nächsten Tag wieder alles geben zu können. Gern möchte er sein Wissen weitergeben, um dem guten Schlaf zu einem gehobenen Stellenwert zu verhelfen. Hannes ist bei besserschlafen.de Experte für die biochemischen Ursachen von Schlafproblemen und Medizin-Themen.

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