Warum schlafen Patienten auf Intensivstation schlechter?
Lärm
Die Geräuschkulisse auf der Intensivstation ist alles andere als ruhig und entspannend. Monitore und Infusionspumpen piepsen. Telefone klingeln. Das Krankenhauspersonal redet. Die durchschnittliche Lautstärke beträgt 50 bis 75 Dezibel.
Auf einer Intensivstation ist es so laut wie in einem Großraumbüro oder in einer Fabrik!
Doch Lärm ist nur einer von vielen Gründen für die schlechte Schlafqualität der Patient*innen auf Intensivstation.
Licht
Monitore leuchten. Durch die geöffnete Tür fällt Licht vom Flur herein. Das Pflegepersonal kommt ins Zimmer. Licht ist gleich doppelt schlecht für den Schlaf: Einerseits wachen Schlafende durch den Lichtreiz schneller auf. Andererseits wird die Melatoninproduktion gestört. Unser Schlafhormon Melatonin wird bei Dunkelheit ausgeschüttet und sorgt dafür, dass wir müde werden. Durch die Lichtreize wird bei Patient*innen der Intensivstation weniger Melatonin ausgeschüttet.
Die Folge: Intensivpatient*innen schlafen qualitativ schlechter und weniger.
Pflege
Studien haben ergeben, dass ein Großteil der Pflege der Patient*innen auf Intensivstation nachts geschieht. Während der Nachtschicht hat das Pflegepersonal oft mehr Zeit, da Behandlungen und Operationen auf die Tagschichten verlegt werden.
Pro Patient*in und Nacht werden durchschnittlich 51 Interventionen ausgeführt!
Ununterbrochene Perioden von zwei bis drei Stunden erfahren Schwerkranke nur in sechs Prozent der Nächte.
Immerhin: Nicht jede Intervention weckt Patient*innen auf. Nur 20 Prozent dieser Interventionen führen zu einer Aufwachreaktion.
Beatmung
Das Thema Beatmung hat seit der Coronakrise vermehrt Aufmerksamkeit in der Gesellschaft erhalten. Wie man leicht nachvollziehen kann, sorgt eine Beatmung oft dafür, dass die Beatmeten schlechter schlafen: Dadurch, dass der Gasaustausch einem unnatürlichen Rhythmus folgt, schlafen Beatmete oft weniger tief und erholsam.
Auch viele Nebenaspekte der Beatmung führen zu häufigerem Aufwachen der Patient*innen auf Intensivstation:
- Ventilatoralarme
- das unangenehme Gefühl an ein Beatmungsgerät angeschlossen zu sein
- Medikamente, die Beatmeten gegeben werden müssen
Intrinsisch
Intensivpatient*innen leiden oft nicht nur an einer Erkrankung. Besonders häufig sind Atemwegserkrankungen, bei denen es zu einer Verengung der Atemwege kommt. Wenn die Atmung beeinträchtigt ist, ist es auch die Schlafqualität. Nach Schlaganfällen und Herzversagen leiden viele Menschen nachts unter einer sogenannten Cheyne-Stokes-Atmung.
Die Cheyne-Stokes-Atmung ist eine krankhafte Atmungsform, die nach Johne Cheyne und William Stokes benannt wurde.
Sie ist charakterisiert durch ein periodisches An- und Abschwellen der Atemtiefe und des Abstands der einzelnen Atemzüge voneinander:
Die Atmung wird immer flacher und setzt kurz aus. Dann setzen die Atemzüge wieder ein, vertiefen sich zunehmend und werden flacher, bis es wieder zum Atemstillstand kommt.
Eine Cheyne-Stokes-Atmung beobachtet man oft bei Schlaganfällen, Vergiftungen, Gehirnarteriensklerose, Herzversagen und Tieren im Winterschlaf.
Diese Abnormalitäten in der Atmung führen bei schwerkranken Intensivpatient*innen zu Kurzatmigkeit, häufigem Aufwachen und Tagesschläfrigkeit.
Weitere Gründe für Schlaflosigkeit von Intensivpatient*innen:
- Schmerzen
- Stress
- Angst
- Operationen
Medikamente
Viele Medikamente, die auf Intensivstationen verabreicht werden, verändern den Schlaf.
Beruhigungsmittel: Midazolam, Propofol und Co.
Klingt paradox, ist aber wahr: Beruhigungsmittel können für Schlafprobleme verantwortlich sein. Viele häufig verwendete Beruhigungs- und Schlafmittel helfen zwar beim Einschlafen, sind aber auf einen längeren Zeitraum betrachtet eher schlafstörend. Der Schlaf ist oberflächlich: Tiefschlafphasen und Schlafqualität nehmen ab. Nach dem Absetzen kommt es oft zu einer Rebound Insomnia: Intensivpatient*innen können eine Zeit lang nicht ein- und durchschlafen.
Auf Intensivstation häufig verwendete Beruhigungsmittel
Midazolam
Midazolam gehört zur Gruppe der Benzodiazepine. Es wirkt angstlösend, beruhigend, krampflösend und einschläfernd. Verwendet wird es häufig als Narkosemittel bei beatmeten Intensivpatient*innen und bei Operationen. Es hat viele Nebenwirkungen wie Gedächtnisverlust, Atemdepression und Sucht. Es sollte daher nur möglichst kurz angewendet werden.
Propofol
Propofol ist ein intravenöses Anästhetikum. Es wird zur Narkoseeinleitung bei OPs und zur Narkotisierung von Beatmungspatient*innen angewendet. Es wird besonders gerne angewendet, da es ein angenehmeres Einschlafen und Aufwachen als andere Anästhetika ermöglicht.
Dexmedetomidin
Dexmedetomidin ist ein neueres Anästhetikum, welches sich dadurch auszeichnet, dass es die Atmung weniger beeinträchtigt als andere Anästhetika. Es wirkt außerdem angstlösend und schmerzlindernd.
Das neuere Anästhetikum Dexmedetomidin ahmt natürliche Schlafphasen nach und stört den Schlaf daher am wenigsten.
Antipsychotika wie Haloperidol, Risperidon und Olanzapin können Studien zufolge den Anteil des Tiefschlafs erhöhen. Sie haben jedoch nicht zu vernachlässigende Nebenwirkungen: Krämpfe, Muskelsteifheit, Gewichtszunahme und Herz-Rhythmus-Störungen.
Kardiovaskuläre Medikamente
Medikamente, die das Herz-Kreislauf-System beeinflussen führen oft zu Schlaflosigkeit und Albträumen. Hier einige Beispiele:
- Blutdrucksenker: Betablocker, zum Beispiel Propranolol
- Antiarrhythmika: Amiodaron
- Kortikosteroide: Kortison
- trizyklische Antidepressiva: Amitriptylin
Welche Folgen haben Schlafstörungen auf Intensivstation?
Wenig Schlaf ist ungesund
- Herz-Kreislauf-System: Das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigt bei Menschen, die durchschnittlich weniger als sechs Stunden pro Nacht schlafen, stark an. Hier erfahrt ihr mehr über den Zusammenhang von Schlafdauer und dem Erkrankungsrisiko!
- Atmung: Schon eine schlaflose Nacht verschlechtert Atemparameter am nächsten Tag signifikant.
- Stoffwechsel: Schlafmangel führt unter anderem zu einer verminderten Glucosetoleranz und vermehrter Ausschüttung von Hunger- und Stresshormonen. Die Folgen: Diabetes und Fettleibigkeit. Hier mehr dazu.
- Immunsystem: Schlaf ist für unser Immunsystem unabdingbar. Durch Schlafmangel schwächen wir unser Immunsystem. Ihr wollt mehr dazu erfahren? In diesem Artikel setzt sich meine Kollegin Mathilda mit dem Thema auseinander.
Die Effekte von Schlafmangel beeinflussen also auch Gesunde negativ. Für Patient*innen auf Intensivstation haben die Effekte des Schlafmangels jedoch eine viel größere Bedeutung:
Ihre Körper sind schon stark geschwächt und jede weitere Belastung kann den Allgemeinzustand verschlimmern.
Ist das Immunsystem beispielsweise schon geschwächt, kann jede kleine Infektion das Fass zum Überlaufen bringen und eine lebensgefährliche Sepsis auslösen. Auch eine verschlechterte Atmung beeinträchtigt den Körper der sowieso schon Geschwächten stark: Daher ist die verringerte Schlafqualität von Patient*innen auf Intensivstation seit vielen Jahren wichtiger Gegenstand der Forschung.
Was können wir ändern?
- Reduktion von Lärm: Ohrstöpsel, Türen zu, Geräte leiser
- Reduktion von Helligkeit: Schlafmaske, Türen zu, gedimmtes Licht
- Pflege: möglichst tagsüber
- Behandlung: Schmerzmedikation und Beatmung optimieren
- Entspannung: Massagen, Musiktherapie, Ocean sounds
- Schlafmedikamente: Haloperidol, Zolpiden, Melatonin
Medikamente: Weniger ist mehr?
In Studien konnte herausgefunden werden, dass manche Medikamente den Schlaf von Intensivpatient*innen verbessern, andere verschlechtern ihn eher.
Überraschend: Patient*innen auf Intensivstation hilft das Schlafmittel Melatonin besser beim Einschlafen als Schlafmaske und Ohrenstöpsel.
Beruhigende Medikamente, die die Schlafqualität von Intensivpatient*innen erhöhen:
- Melatonin
- Haloperidol
- Zolpidem
Beruhigende Medikamente, die die Schlafqualität von Intensivpatient*innen verschlechtern:
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Häufige Fragen zum Artikel
Nein. Eine künstliche Beatmung ist nur dann erforderlich, wenn Intensivpatient*innen nicht selbstständig atmen können, ihre Lunge nicht genug Sauerstoff aufnehmen oder Kohlendioxid abgeben kann.
Da Schlafmangel das Immunsystem schwächt, ist davon auszugehen, dass Covid-Patient*innen mit Schlafmangel durchschnittlich einen schwereren Verlauf haben als die, welche genug schlafen.
Benzodiazepine wie Midazolam werden häufig als Schlafmittel verschrieben und helfen auch beim Einschlafen. Jedoch sorgen sie nicht für eine bessere Schlaftiefe und Schlafqualität.
Die Pflege von Intensivpatient*innen ist sehr aufwendig. Daher müssen sie rund um die Uhr gepflegt werden. Da tags für das Pflegepersonal wegen Neuzugängen, Operationen und ärztlichen Tätigkeiten noch mehr zu tun ist als nachts, werden viele pflegerische Tätigkeiten in die Nachtschicht geschoben.
Bei Intensivpatient*innen, die sich nicht selber mitteilen können, können mittels eines EEG-Geräts die Gehirnströme gemessen werden. So können Ärzt*innen erkennen, wie viel und tief sie schlafen. Diese Technik wird in dem Zusammenhang aber nicht im Alltag, sondern nur zu Forschungszwecken angewandt.