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Schlafmittel

Antidepressiva in der Therapie von Schlafstörungen

Lena Gohlisch

Veröffentlicht von Lena Gohlisch am 27.12.2020

1,2 bis 1,5 Millionen Menschen sind in Deutschland von Schlafmitteln abhängig. Insbesondere die lange als Mittel der Wahl geltenen Benzodiazepine und das am häufigsten verschriebene Schlafmittel Zopiclon haben ein hohes Abhängigkeitspotenzial und sollten nicht länger als vier Wochen eingenommen werden. Sind Antidepressiva ein Weg aus der Schlafmittelabhängigkeit?

Antidepressiva eine Alternative zu Benzodiazepinen bei Schlafstörungen?

Die Liste der Substanzen, die bei Schlafstörungen eingesetzt werden ist lang. Früher wurden Benzodiazepine wie zum Beispiel Valium® gegen Schlafstörungen eingesetzt. Den Benzodiazepinen sehr ähnlich sind die „Z-Substanzen“, zu denen zum Beispiel Zolpidem und das am häufigsten veschriebene Schlafmittel Zopiclon zählen.

Benzodiazepine und die „Z-Substanzen“ wirken am sogenannten GABA-Rezeptor, setzten die Erregbarkeit der Nervenzellen herab und fördern so den Schlaf. Neben einem breiten Spektrum an Nebenwirkungen ist vor allem das hohe Toleranz- und Suchtpotenzial den Ärzt*innen ein Dorn im Auge. Länger als vier Wochen sollten diese Medikamente auf keinen Fall eingenommen werden.

Um der Gefahr der Abhängigkeit aus dem Weg zu gehen werden Alternativen in der medikamentösen Schlaftherapie gesucht. Ein Ansatz ist, sich die schlaffördernde Wirkung bereits zugelassener Medikamente zu Nutze zu machen. Diese Substanzen werden als sekundäre Schlafmittel bezeichnet. Dazu zählen auch die Antidepressiva, die, wie der Name schon verrät, normalerweise in der Therapie der Depression eingesetzt werden.

Es gibt eine Vielzahl an Antidepressiva, die sich hinsichtlich ihres Wirkmechanismus und der Nebenwirkungen alle leicht unterscheiden. Zu den wichtigsten Substanzen zählen :

  • Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) : z.B. Citalopram / Fluoxetin
  • Mirtazapin
  • Trizyklische Antidepressiva (TZA) : z.B. Doxepin
  • Agomelatin

Wie wirken Antidepressiva auf den Schlaf?

Einige Antidepressiva wie die Selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) wirken antriebssteigernd, was sich beim Patienten in Unruhe, Nervosität und auch Schlaflosigkeit wiederspiegeln kann. Diese Substanzen werden natürlich nicht als Schlafmittel eingesetzt. Es gibt jedoch auch Antidepressiva, die sedierend wirken und deshalb auch Menschen mit Schlafstörungen, unabhängig von einer Depression, verschrieben werden.

Die Trizyklischen Antidepressiva (TZA) wie Doxepin erhöhen die Serotinin- und Nordadrenalin-Spiegel im Gehirn. Zusätzlich wirken sie anticholinerg und antihistaminerg. Hinter diesen etwas sperrigen Begriffen verbirgt sich, dass die Wirkung des Neurotransmitters Acetylcholin und des Hormons Histamin blockiert wird. Mit der Folge, dass man besser durchschlafen kann. Allerdings werden auch die sogenannten REM-Phasen des Schlafs (Traumphasen) verkürzt, in denen wichtige kognitive Regenerationsprozesse stattfinden.

Neben seiner antidepressiven Wirkung bindet das Medikament Mirtazapin wie die Trizyklischen Antidepressiva an Histamin-Rezeptoren und fördert so den Schlaf. Ein großer Vorteil beim Einsatz von Mirtazapin zur Behandlung von Schlafstörungen ist, dass es im Gegensatz zu den Trizyklischen Antidepressiva nicht mit dem Neurotransmitter Acetylcholin interagiert. Dadurch bleibt die REM-Schlafphase und die dort stattfindenden Regenerationsprozesse unbeeinflusst. Mirtazapin verbessert die Schlafeffiziens und fördert den Tiefschlaf - und das schon bei sehr niedriger Dosierung!

Agomelatin ist ein sogenannter Melatonin-Agonist, was bedeutet, dass die Wirkung des Schlaffördernden Hormons Melatonin durch das Medikament verstärkt wird. Agomelatin bindet an zwei Melatonin-Rezeptoren und beeinflusst darüber positiv die Schlafarchitektur. Die verschiedenen Phasen des Schlafs werden wieder in die richtige zeitliche Abfolge gebracht und insbesonder das Durchschlafen und der Tiefschlaf gefördert.

Einige Antidepressiva wie Doxepin, Mirtazapin und Agomelatin wirken nicht nur stimmungsaufhellend, sondern auch positiv auf den Schlaf und werden deshalb bei Menschen ohne Depression zur Behandlung von Schlafstörungen eingesetzt!

Welche Nebenwirkungen haben in der Behandlung von Schlafstörung eingesetzte Antidepressiva?

Im Gegensatz zu Benzodiazepinen und „Z-Substanzen“ besteht bei keinem der Antidepressiva ein hohes Abhängigkeitspotenzial.

Aber wie sieht es denn eigentlich mit den Nebenwirkungen aus? Gerade weil die Trizyklischen Antidepressiva in der Behandlung der Depression aufgrund ihrer Nebenwirkungen in den Hintergund geraten sind, sollte man auf jeden Fall einen Blick auf den Beipackzettel werfen :

Trizyklische Antidepressiva (TZA):

  • ausgeprägte Mundtrockenheit
  • Harnverhalt
  • Verstopfungen
  • Sexualstörungen
  • Herzrhythmusstörungen

Mirtazapin:

  • Zunahme des Appetits
  • Starke Gewichtszunahme

Agomelatin:

  • Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit und Erbrechen
  • Kopfschmerzen und Migräne
  • Akutes Leberversagen

In Hinblick auf die Nebenwirkungen der jeweiligen Medikamente ist zu beachten, dass diese bisher vorrangig im Rahmen der depressiven Behandlung erfasst wurden. In der Therapie der Depression liegt die empfohlene Dosis des Trizyklischen Antidepressivum Doxepin zwischen 100 bis 300 mg. Zur Behandlung einer Schlafstörungen werden jedoch maximal 10 mg bis 50 mg Doxepin verabreicht.

Beim Einsatz von Antidepressiva zur Therapie von Schlafstörungen sind also viel geringere Dosierungen notwendig als zu Behandlung einer Depression, sodass auch deutlich weniger Nebenwirkungen auftreten.

Welche Antidepressiva sind zur Therapie von Schlafstörungen zugelassen?

In mehreren Studien konnte die Wirksamkeit von nur 3 mg beziehungsweise 6 mg des trizyklischen Antidepressivums Doxepin zu Behandlung von Schlafstörungen gezeigt werden. In den USA wurde Doxepin daher als erstes durch die U.S. food and drug administration offiziell zugelassen.

Auch in Deutschland ist Doxepin in der Behandlung von Schlafstörungen zugelassen, häufig wird jedoch auch Mirtazapin im Rahmen eines Off-Label-Gebrauchs erfolgreich eingesetzt. Auch hier reichen 3,75 mg bis 7,5 mg bereits aus um Ein-und Durchschlafprobleme zu bessern.

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Der Off-Label-Einsatz von Medikamenten

Der Off-Label-Use beschreibt eine Zulassungsüberschreitende Anwendung eines Medikaments.Eine Zulassung für eine Substanz wird von den entsprechenden Behörden in der Regel für eine bestimmte Krankheit oder Patientengruppe ausgesprochen. Unter besonderen Vorraussetzungen können Medikamente jedoch auch bei einem anderen Krankheitsbild eingesetzt werden. Der Einsatz von Antidepressiva in der Schlaftherapie ist nur eins von vielen Beispielen für enen Off-Label-Use.

Häufige Fragen zum Artikel

Lena Gohlisch

Lena hat in diesem Sommer ihr Medizinstudium beendet und schreibt aktuell ihre Doktorarbeit im Bereich der Sportpsychiatrie. In ihrer Freizeit ist Lena als semiprofessionelle Spielerin in der zweiten Damen-Basketball-Bundesliga aktiv. Die Kombination von Klinikalltag, Schichtdienst und Leistungssport gelingt Lena unter anderem, weil sie sich intensiv mit der Optimierung ihres Schlafes auseinandersetzt. Ihre Erfahrungen, neue Erkenntnisse und Tipps teilt Lena gerne mit euch hier auf besserschlafen.de.

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