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Lifestyle & Schlaf

Richtig schlafen für ein besseres Gedächtnis

Mathilda Winter

Veröffentlicht von Mathilda Winter am 20.09.2020

Wünscht du dir manchmal, effektiver lernen zu können? Hier erfährst du, wie du mit richtigen Menge Schlaf zum richtigen Zeitpunkt, aus deiner Lernerei möglichst viel herausholst und dein Gedächtnis verbesserst.

Lernen im Schlaf?

Im Schlaf lernen? Das geht laut neuster Erkenntnisse in sehr kleinem Umfang zwar auch, aber sich umfangreiche Inhalte anzueignen, ohne sich im wachen Zustand jemals damit beschäftigt zu haben, ist bisher nicht möglich.

Dennoch spielt der Schlaf eine zentrale Rolle in dem Festigen von Wissen, der sogenannten Gedächtniskonsolidierung. Während der Körper schläft, arbeitet unser Gehirn auf Hochtouren. Wer eine Nacht lang nicht schläft, kann sich am nächsten Tag wesentlich schlechter erinnern. Das kennen wir nicht nur von uns selbst, das zeigen auch Studien.

Egal, ob du eine neue Sprache lernst, für eine Prüfung büffelst oder dich bei einem neuen Job einfinden musst, solltest du deinem Gehirn in herausfordernden Phasen genug Schlaf gönnen. Auch bei mir steht eine große Prüfung an. Deshalb habe ich mir die Frage gestellt: Kann ich mir durch einen bestimmten Schlafrhythmus Fakten schneller merken?

Nicht ganz uneigennützig, habe ich recherchiert, was die Gedächtnisforschung mittlerweile zum Thema Schlaf herausgefunden hat. Es gibt einige Erkenntnisse, die mich überrascht haben. Das Tolle ist: Sie sind direkt anwendbar. Ich werde sie mir für meine anstehenden Lernphase definitiv zu Herzen nehmen.

Hier erfährst du, wie du aus deiner Lernzeit möglichst viel herausholen kannst. Einfach nur indem du „richtig“ schläfst.

Wie lernt unser Gehirn?

Das menschliche Gehirn ist ein wahres Wunderwerk. Ständig befindet es sich in einem dynamischen Prozess aus Vergesse, Speichern und Verarbeiten neuer Informationen. Auf biologischer Ebene sprechen wir von der neuronalen Plastizität. So bezeichnen Neurowissenschaftler*innen die Fähigkeit des menschlichen Gehirns sich durch Umbauprozesse lebenslang an neue Umstände anzupassen.

Um uns eine neue Information dauerhaft zu merken, durchläuft sie verschiedene Phasen der Gedächtniskonsolidierung. Zu Beginn wird ein neuer, noch sehr störungsanfälliger Gedächntispfad angelegt. Wenn wir die Information nicht wiederholen, oder sie durch viele andere Informationen überschreiben, vergessen wir sie in kürzester Zeit wieder.

Das ist vergleichbar mit einem Trampelpfad. Läuft eine Person über eine Wiese, entsteht noch kein Weg. Tun das sehr viele Menschen, bildet sich ein Pfad und schließlich ein richtiger Weg. Wiederholen wir ein bestimmtes Wissen immer wieder, brennt es sich in unser Gedächtnis ein.

Welche Rolle spielt der Schlaf?

Beste Voraussetzung für die Festigung von Gedächtnisinhalten haben wir während des Schlafs. In dieser Zeit muss unserem Gehirn wenige bis keine neuen Reize verarbeiten, das zuvor Gelernte wird also nicht überschrieben. Nun kann ein essentieller Prozess ablaufen: Informationen können vom Kurzzeitgedächtnis ins Langzeitgedächtnis überführt werden.

Beste Voraussetzung für die Festigung von Gedächtnisinhalten haben wir während des Schlafs.

Ein Teil unseres Gehirns ist für diesen Lernvorgang besonders wichtig. Im sogenannte Papez Neuronenkreis und besonders dem seepferdchenförmigen Hippocampus findet die Umwandlung in dauerhaft gespeicherte Informationen statt.

Der Patient Henry Molaison, dessen Hippocampus zerstört wurde, ist eines der berrühmtesten Fallbeispiele der psychologischen Gedächtnisforschung. Sein Fall zeigt, wie wichtig der Hippocampus für die Bildung eines Langzeitgedächtnis ist und gab Wissenschaftlern*Wissenschaftlerinnen einen Einblick in die Komplexität unseres Gedächtnisses.

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Anterograde Amnesie

Der 1953 geborene Henry Molaison litt unter einer schweren Form der Epilpsie. Im Alter von 27 Jahren unterzog er sich einer Gehirnoperation, um seine epileptischen Anfällen in den Griff zu bekommen. Dabei wurden ihm nicht nur Teile des Temporallappens, sondern auch zwei Drittel des Hippocampus entfernt. Ab diesem Zeitpunk litt er an einer anterograden Amnesie. Er war nicht mehr in der Lage, neue Informationen dauerhaft ins Gedächtnis aufzunehmen. Nach dem Essen vergaß er, dass er überhaupt gegessen hatte. Menschen, die sich im vorstellten, erkannte er nach einigen Minuten nicht mehr. Einige Fähigkeiten blieben ihm erhalten. Er war weiterhin der Lage, alte Informationen abzurufen. Ebenso konnte er neue motorische Fähigkeiten erlernen. Anscheinend sind für das Erlernen von Bewegungsabläufen andere Gehirnareale zuständig als für das Merken neuer Informationen (deklaratives Gedächtnis).

Der beste Zeitpunkt zum Lernen?

Während der Lernphasen lässt sich meine Jahrgang in zwei Gruppen einteilen. Die einen stellen sich früh den Wecker, stehen als erste vor der Bibliothek und nehmen sich dafür den Abend frei. Die anderen sitzen bis in die Nacht am Schreibtisch und schlafen am nächsten Tag aus. Ich gehöre zur zweiten Gruppe und habe damit - zumindest aus Sicht der Schlafforschung - die letzten fünf Jahre alles richtig gemacht.

Mehrere Studien haben gezeigt, dass wir uns besser an Gelerntes erinnern, wenn wir kurze Zeit später schlafen. So ist es zum Beispiel beim Vokabellernen erwiesenermaßen günstiger in einem Zeitraum von drei Stunden zu schlafen, als sich erst nach 10 Stunden hinzulegen. Wir erinnern uns danach an mehr Vokabeln.

Mehrere Studien haben gezeigt, dass wir uns besser an Gelerntes erinnern, wenn wir kurze Zeit später schlafen.

Offensichtlich ist es nicht nur die Zeit, die zwischen dem Lernen und dem Getestet-werden liegt, die darüber entscheidet wie gut unser Gedächtnis funktioniert. Schlaf, als eine Zeit in der wir wenige bis keine neuen Informationen aufnehmen, ist insofern ein günstiger Faktor fürs Lernen zu sein, da die Störung durch ständig neu auf uns einströmende Reize ausbleibt.

Wenn du einen funktionierenden Lernrhythmus für dich gefunden hast, rate ich dir dennoch, ihn kurz vor einer Prüfung nicht mehr stark umzustellen. Stattdessen könntest du dir besonders schwierige Vokabeln, Formel oder Fakten kurz vor dem Zubettgehen noch einmal anschauen. Sie bleiben viel einfacher im Gedächtnis!

Tipp 1: Lerne abends oder wiederhole schwierige Inhalte kurz vor dem Schlafen!

Mittagsschlaf statt Pauken?

Wäre die Konsequenz aus dieser Erkenntnis nicht, dass wir auch tagsüber ein Nickerchen einlegen sollten?

Das wollte unter anderem Wissenschaftler*innen der Duke-NUS Medical School überprüfen. 90 Studenten*Studentinnen bekamen fünf Stunden Zeit, um sich eine Thema anzueignen. Nach der Hälfte der Zeit wurden sie in drei Gruppen aufgeteilt. Die erste Gruppe durfte einen einstündigen Mittagsschlaf machen. Die zweite Gruppe lernte in dieser Zeit weiter, die dritte blieb wach und guckte einen Film.

Kurz nach dem Ende der Lerneinheit folgte ein Test. Sowohl die Lern- als auch die Mittagsschlaf-Gruppe schnitten besser ab als die Filmgucker. Bei einem Test nach acht Tagen erinnert sich nur noch die Mittagsschläfer an signifikant mehr Informationen als die, die ein Film geguckt hatten.

Es gibt Hinweise, dass ein Mittagsschlaf vor allem das Gedächtnis von jungen Erwachsenen unter 30 Jahren im Vergleich zu Erwachsenen über 58 Jahren verbessert.

Tipp 2: Wenn du merkst, dass deine Konzentration am Nachmittag nachlässt, mache mit gutem Gewissen einen Mittagsschlaf!

Wie lange sollte mein Mittagsschlaf sein?

Bekanntermaßen sollte ein Mittagsschlaf nicht zu lange dauern. Circa 40 Minuten nachdem wir eingeschlafen sind, kommen wir in die Tiefschlafphase. Das sollten wir jedoch vermeiden, denn danach sind wir häufig müder als zuvor. Außerdem kann es unseren Schlafrhythmus durcheinanderbringen, sodass wir abends schlecht einschlafen können.

Eine groß angelegte Meta-Studie zeigte sogar, dass Menschen, die regelmäßig über eine Stunde tagsüber schliefen, ein deutlich erhöhtes Risiko für Herzkreislauferkrankungen und eine allgemein erhöhte Mortalität hatten.

Deshalb raten wir dir: Mache einen kurzen Mittagsschlaf, wenn du dich tagsüber danach fühlst. Aber passe auf, dass du nicht länger als 30 Minuten schläfst. So kannst du dich erholen und bist danach fitter, um weiter zu lernen. Besonders effektiv ist übrigens ein Coffee Nap.

Tipp 3: Schlafe tagsüber nicht länger als 30 Minuten!

Düfte für ein besseres Gedächtnis?

Ihr kennt das sicher: Es liegt ein Geruch in der Luft und erinnert euch sofort an einen ganz bestimmten Urlaub, ein Erlebnis oder eine Person. Und auf einmal ist die Erinnerung wieder sehr lebendig.

Auch das können wir uns theoretisch zunutze machen. Wer zu einem bestimmen Geruch lernt und während des Schlafs diesem Duft ausgesetzt ist, lernt schneller. Experimente haben gezeigt, dass die Informationen dann reaktiviert und leichter von unserem Gehirn gespeichert werden. Diese Taktik könnte nicht nur als Lernhilfe fungieren, sondern auch bei Rehabilitationsprogrammen zur schnelleren Regeneration oder im Rahmen einer Psychotherapie genutzt werden.

Tipp 4: Lerne mit den gleichen Gerüchen, mit denen du auch schläfst. Das kann ein Öl, Deodorant oder Parfüm sein.

Zugegeben, der letzte Tipp ist etwas aufwendig. Aber ich werde mit Sicherheit in Zukunft mehr Mittagsschlaf machen und das mit einem sehr guten Gewissen!

Quellenverzeichnis

Mathilda Winter

Mathilda studiert Medizin und interessiert sich besonders für psychologische Themen. Neben dem Studium hat sie als Nachtwache im Krankenhaus gearbeitet und in der Zeit viel über das Schlafen gelernt - unter anderem was es heißt, wirklich müde zu sein. Jetzt schreibt sie bei besserschlafen.de über wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Schlafforschung und will dabei vor allem eins: Hilfreiche Tipps für eine erholsame Nacht geben.

mathilda@besserschlafen.de