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Schlafstörungen

Schlafstörungen und Konflikte in der Quarantäne

Das Coronavirus sorgt nicht nur für veränderte Lebensumstände, sondern beeinflusst über sozialpolitische Maßnahmen auch das Schlafverhalten vieler Menschen weltweit.
Benito Schilling

Veröffentlicht von Benito Schilling am 26.03.2020

Die Coronavirus-Pandemie sorgt auf der ganzen Welt für Kontaktverbote, Ausgangssperren und auferlegte Quarantänen. Psychosoziale Folgen dieser Maßnahmen können Schlafstörungen, Angstzustände und Depressionen sein. Warum diese auftreten und wie sich diese bekämpfen lassen, verraten wir euch hier.

Quarantäne und Homeoffice während der Coronavirus-Pandemie (Covid-19- Pandemie)

Kurz zum Thema: Der vor einigen Monaten in China neu aufgetretene Coronavirus SARS-CoV-2 hat sich innerhalb weniger Monate über den gesamten Erdball verbreitet. Da dies das erstmalige auftreten dieser Coronavirus-Unterform ist, gab es noch keine immunen Menschen, die eine schnelle Verbreitung verhindern hätten können. Dieser Umstand, gepaart mit der hohen Infektiosität und der Gefährlichkeit für bestimmte Risikogruppen, haben viele Staaten dieser Welt dazu veranlasst, ihren Bevölkerungen ein Kontaktverbot aufzuerlegen. Damit soll eine zu schnelle Durchseuchung der Bevölkerung verhindert werden und so eine Überlastung des Gesundheitssystems, wie wir es in Ländern wie Italien, Spanien und mittlerweile auch den USA beobachten können, vermieden werden. Weiter können so in der Zwischenzeit Krankenhaus-, so wie Material- und Test-Kapazitäten hochgefahren werden und die Zeit kann für die Prüfung möglicher Medikamente und Impfstoffe genutzt werden.

Großveranstaltungen finden bis auf weiteres nicht statt. Restaurants, Cafès, Kneipen und Bars und alle anderen öffentlichen Begegnungsorte haben geschlossen und dürfen vorerst nicht mehr genutzt werden. Wo möglich, haben viele Arbeitgeber ihre Mitarbeiter ins Homeoffice geschickt. Seit einigen Tagen gilt in Deutschland ein Kontaktverbot, bis auf Familien, WG-Bewohner oder Kleinstgruppen von 2 Menschen darf sich vorerst niemand treffen und zusammen im öffentlichen Raum bewegen.

Dies führt dazu, dass das Leben der meisten Deutschen zurzeit in der Wohnung stattfindet.

Andere haben sich bereits mit dem Virus infiziert, zeigen nur leichte oder gar keine Symptome und müssen deshalb für mindestens zwei Wochen in häusliche Quarantäne. Das gleiche gilt für Menschen, die mit Infizierten Kontakt hatten, oder aus bestimmten Risikogebieten zurückkehren und sich vorsichtshalber in Quarantäne begeben müssen.

Dies führt dazu, dass das Leben der meisten Deutschen zurzeit in der Wohnung stattfindet. In der Wohnung wird gearbeitet, gegessen, Sport getrieben und geschlafen. Viele Mitbewohner, Pärchen und Familien sind 24 Stunden am Tag zusammen und müssen sich relativ wenige Quadratmeter zum Leben teilen. Andere wohnen alleine und sind den ganzen Tag nur sich selbst überlassen.

Psychosoziale Auswirkungen von Quarantäne, Kontaktverbot und Homeoffice

Der Mensch ist ein soziales Wesen, es entspricht unserer Natur mit anderen in Kontakt zu treten, Gespräche zu haben und sich zu berühren. Findet dieser soziale Austausch auf keiner Ebene mehr statt, fehlt etwas. Vieles passiert im Alltag unbewusst. Wir bewegen uns frei unter Menschen auf dem Weg zur Arbeit. Reden mit Kollegen auf der Arbeit. Haben kurze Begegnungen und Interaktionen mit anderen Menschen beim Einkaufen, im Cafè oder im Restaurant.

Noch wichtiger sind natürlich die bewussten Treffen. Verabredungen zum Essen, zum Kaffee und die damit einhergehenden Gespräche. Viele finden auch Freude im gemeinsamen Erleben mit vielen anderen Menschen bei Großveranstaltungen wie Konzerten, Clubbesuchen oder dem gemeinsamen Fangesang mit tausenden anderen im Fußballstadion. Beim Sport finden viele ein Ventil, um angestaute Emotionen abzubauen. Andere suchen und finden auf Tinder-Dates auch die sexuelle Nähe, die sie benötigen.

All dies findet zurzeit nicht statt.

Auf der anderen Seite müssen bestimmte Personengruppen nun extrem viel Zeit miteinander verbringen, was zu Konflikten führen kann. Diese neue Situation kann sich auf sehr unterschiedliche Arten und Weisen auf die Psyche niederschlagen.

Depressionen und Angstzustände in der Quarantäne

Insbesondere das Alleinsein über einen langen Zeitraum kann zu Angstgefühlen, Panikattacken und Depressionen führen. Doch auch Menschen, die mit Anderen, oder in Gruppen, zusammenwohnen, können von derartigen Gefühlen erfasst werden. Diese noch nie dagewesene Situation kann Gefühle der Hilf-, und Machtlosigkeit hervorrufen, welche dann gepaart mit dem fehlenden sozialen Austausch zu ähnlichen Symptomen führen können.

Weiterhin schöpfen viele Menschen Kraft und Freude aus ihrer alltäglichen Arbeit und dem Gefühl der Sonne im Gesicht und fühlen sich derzeit in ihren Wohnungen nutzlos und eingesperrt.

Hilfe können hier Telefonate, Videochats und Treffen zu zweit in der Natur geben. Der Kontakt zu anderen mit den derzeit möglichen Mitteln ist gerade extrem wichtig. Ebenso ist körperliche Aktivität gerade jetzt wichtiger denn je, da die normale Aktivität alltäglicher Erledigungen momentan wegfällt. Sport im freien ist alleine immer noch möglich, aber auch Workouts in der Wohnung, über Youtube, oder Fitness-Apps kann hilfreich sein. Die Einkehr in sich selbst durch Meditation, oder autogenes Training kann beruhigend wirken und in Momenten der Panik helfen.

Wer sich nicht mehr zu helfen weiß, unter Panikattacken leidet, Gewalt in der Häuslichkeit erfährt, oder sich des Lebens müde fühlt, kann sich an folgende Hotlines/Websites wenden und dort professionelle Hilfe von Menschen erfahren, die zuhören und im Ernstfall Rat geben können:

Telefonseelsorge Berlin e.V.: 0800/1110111 oder 0800/1110222 oder 0800/116123

Silbernetz e.V. (Hilfetelefon für einsame Menschen): 0800/4708090

Hotline für Nachbarschaftshilfe: 0800/8665544

Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“: 0800/116016

Kinder und Jugendtelefon - Nummer gegen Kummer e.V.: 0800/116111

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5 Tipps für die Quarantäne

Trotzdem den Wecker stellen

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. So ist es auch, trotz fehlendem Druck pünktlich bei der Arbeit aufzutauchen, sinnvoll, sich den Wecker zu stellen und den normalen Tagesrhythmus beizubehalten. Langes in den Tag schlafen, oder zu viel Schlaf raubt Energie und macht Antriebslos.

 

Den Tag durchplanen

Familien sollten gemeinsam, andere auch für sich alleine, einen Tagesplan erstellen und sich an die ungefähren Uhrzeiten für verschiedene Aktivitäten halten. Dies beginnt mit dem Aufstehen, kann einen Zeitpunkt für das Frühstück und einen Zeitraum für die Arbeit beinhalten. Nach dem Mittag kann eine kleine Siesta eingebaut werden und auch ein Zeitpunkt für Sport, oder Meditation, oder auch dem Telefonat mit Freunden ist sinnvoll. Zeit für die schönen Dinge wie dem Lesen eines Buches, oder dem binge-watching-Serienabend sollte sich auch bewusst genommen und genossen werden.

 

Aktiv sein

Wer körperlich fit ist, kann mit verschiedenen Apps und Videos Workouts in der Wohnung machen. Für die weniger sportlichen unter uns tut es auch der Spaziergang im freien, oder die Dehnübungen im Schlafzimmer. Ziel ist es, ein Köpergefühl zu erhalten und einen Ausgleich zu der wenigen Bewegung in der Wohnung zu schaffen.

 

Nachrichten bewusst lesen

Klar, die Versuchung ist große, den ganzen Tag auf das Handy zu starren und die neusten Neuheiten auch als erster mitzubekommen. Allerdings belasten uns viele Nachrichten mehr als wir denken und können etwaige Gefühle der Hilflosigkeit noch steigern. Deswegen ist es ratsam sich Zeiten zu suchen, in denen wir bewusst Nachrichten lesen und andere Zeiträume zu schaffen, in denen wir bewusst keine Nachrichten konsumieren. Das kann zum Beispiel die Zeitungslektüre beim Frühstück sein, ein nachrichtenfreier Tag und die Tagesschau am Abend.

 

Sorgen mit Freunden teilen

Redet über das was euch bewegt! Nehmt euch jeden Tag zum Beispiel ein Stunde in der ihr mit Familie oder Freunden telefoniert, schreibt, oder euch per Videochat seht. Wem nahe Menschen fehlen, der kann Redepartner unter verschiedenen Hotlines finden. Es kann auch helfen, sorgen aufzuschreiben und sie so erst einmal gesund aus der bewussten Wahrnehmung zu bekommen.

Schlafstörungen in der Quarantäne

Guter, erholsamer Schlaf und ein guter Schlaf-Wach-Rhythmus ist von vielen Dingen abhängig, die durch eine Quarantäne beeinträchtigt werden.

Die Quarantäne bringt unseren Schlafrhythmus durcheinander, viele Menschen stehen später auf, gehen später ins Bett und sorgen so für ein Ungleichgewicht der über Jahre eingespielten inneren Uhr. Eine gesunde, leicht ermüdende Aktivität, sonst über den Tag in Form von Arbeitsweg, Arbeit, Einkäufe und Hobbies verteilt, fällt weg und sorgt für einen Energieüberschuss am Abend. Für viele fällt in diesen Zeiten auch der Sport im Verein, oder im Fitnessstudio flach.

Auch unsere circadiane Uhr ist betroffen. Normalerweise bewegen wir uns über den Tag verteilt immer mal wieder im freien, nehmen Sonnenlicht auf und hemmen so die Produktion unseres müde machenden Hormons Melatonin. Das Leben in geschlossenen Räumen unter künstlichem Licht, mindert die Ausschüttung von Melatonin nur minimal, lässt uns den Tag über schlaf und müde werden und lässt im Kontrast die Melatonin-Konzentration am Abend nicht hoch genug steigen, um dann doch wieder einzuschlafen.

Weiterhin prägen Sorgen und Ängste dieser besonderen Tage unser Denken und können uns in der Nacht wachhalten.

Was hilft gegen Schlafstörungen in der Quarantäne?

Zuerst einmal ist es wichtig, den eigenen Schlaf-Wach-Rhythmus so weitgehend wie möglich zu erhalten. Am besten ist es, zur gleichen Zeit wie sonst auch ins Bett zu gehen und auch wieder aufzustehen. Wer die Zeit nun nutzen und dem Ausschlafen frönen möchte, sollte dies in Maßen tun und dann auch in einer Regelmäßigkeit jeden Tag.

Die fehlende, natürliche Aktivität, die der Alltag so mit sich bringt, kann durch andere Aktivitäten ausgeglichen werden. So können längere Spaziergänge im Wald, oder am Kanal, ein schöner Ausgleich zum Leben in der Wohnung sein. Sport kann in Form von Joggen, oder Home-Workouts, wie Freeletics oder Yoga nachgegangen werden. So ist der Körper auch in Quarantäne am Ende des Tages ausgelastet und kann gesund und erschöpft einschlafen.

Wer kann und nicht krank, oder unter Krankheitsverdacht steht, sollte die Möglichkeit nutzen und im Freien Licht tanken. Wem dies nicht möglich ist, der kann sich am offenen Fenster, oder vor der Tageslichtlampe seine Portion Licht abholen und so die natürliche Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin unterstützen. Die circadiane Uhr kommt so nicht allzu durcheinander und trägt zu einem gesunden Tag-Nacht-Rhythmus bei.

Gegen Gedankenkreisen am Abend, hilft das Teilen dieser Gedanken mit Freunden am Tag. Auch der maßvolle Konsum von Nachrichten und der Verzicht auf neue Hiobsbotschaften am Abend kann helfen, negative und stressende Gedanken am Abend zu vermeiden. Einige schwören auf einen Notizblog neben dem Bett, in dem auftretende Gedanken niedergeschrieben werden können und so aus dem Kopf gelöscht und für den nächsten Tag zurückgelegt werden.

Wem all dies nichts hilft, der kann auf natürliche Schlafmittel zurückgreifen und seinen Körper so beim Einschlafen unterstützen.

Starke Schlafstörungen, die über einen längeren Zeitraum anhalten, sollten allerdings mit einem Arzt abgeklärt werden und bedürfen gegebenenfalls anderer Behandlung.

Häufige Fragen zum Artikel

Benito Schilling

Medizinstudent und Schlafexperte

Benito ist Medizinstudent und und interessiert sich für alle Themen rund um Gesundheit, Sport und Schlaf. Sein Nebenjob im Schlaflabor eines Uniklinikums bringt ihn in unmittelbare Nähe von Schlafexperten, Neurologen mit der Zusatzbezeichnung Schlafmediziner, welche er frei heraus zu medizinischen Schlafthemen befragt, sobald er bei seinen Recherchen auf Unklarheiten stößt. Er selbst versucht seinen Schlaf jede Nacht auf's Neue zu optimieren und findet, Schlaf sei aus medizinischer Sicht einer der interessantesten Teile der menschlichen Physiologie. Benito ist unser Experte für alle medizinischen Themen rund um Schlaf, Schlafprobleme und der Physiologie dahinter.

benito@besserschlafen.de