Viel Schlaf gilt im Allgemeinen als sehr gesund. Immer mehr Studien zeigen den Zusammenhang zwischen genügend Schlaf und einem gesunden Körper. Schläft man viel, wirke sich das positiv auf Körpergewicht, Immunsystem, Verdauung, Konzentration und das kardiovaskuläre System aus.
Doch gerade letzteres wird in aktuellen Studien relativiert. In einer Studie, welche 2019 im European Heart Journal veröffentlicht wurde, beobachtete man die Schlafdauer von über 100 000 Menschen aus sieben verschiedenen Ländern über nahezu acht Jahre hinweg. Die Frage der man auf den Grund gehen wollte, war Folgende:
Beeinflusst die durchschnittliche Schlafdauer eines Menschen langfristig seine Gesundheit?
Um dies herauszufinden, dokumentierten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen die durchschnittliche Schlafdauer der Personen, ihre kardiovaskulären Erkrankungen und ob sie in diesem Zeitraum verstarben. Außerdem notierten sie, ob die Person regelmäßig Nickerchen während des Tages machte. Anhand der durchschnittlichen Schlafdauer teilten sie vier Gruppen ein:
- Weniger als sechs Stunden Schlaf pro Nacht
- Sechs bis acht Stunden Schlaf pro Nacht
- Acht bis zehn Stunden Schlaf pro Nacht
- Mehr als zehn Stunden Schlaf pro Nacht
Innerhalb dieser vier Gruppen wurde jeweils geschaut, wer auch während des Tages für wenige Stunden schlief.
Die Auswertung ergab erstaunliches.
Die Zahl an Erkrankten sank mit zunehmender Schlafdauer erwartungsgemäß zunächst. Es bestätigte sich also, dass kürzer Schlafende oft Herz-, Blutdruck- und weitere Kreislaufprobleme haben.
Jedoch waren diejenigen mit dem geringsten kardiovaskulären Risiko nicht diejenigen, die am längsten schliefen.
Stattdessen konnte man die meisten gesunden Personen in der Gruppe der sechs- bis acht- Stunden-Schläfern finden. Wer mehr als zehn Stunden schlief, entwickelte mit höherer Wahrscheinlichkeit Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Auch die Mortalität war in der mittellang schlafenden Gruppe am niedrigsten.
Heißt das zu viel Schlaf ist ungesund?
Das wäre tatsächlich eine Erklärungsmöglichkeit für die Studienergebnisse. Plausibel ist aber auch Folgendes: Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herz-Rhythmus-Störungen, periphere arterielle Verschlusskrankheit oder Herzinsuffizienz führen oft zu Erschöpfung und Müdigkeit. Da es nicht zu einer ausreichenden Versorgung der Organe insbesondere des Gehirns kommt, hat der Körper einen höheren Bedarf an Erholung. Diesen sichert er sich indem er für mehr Müdigkeit und so indirekt für mehr Schlaf sorgt. Dass es mehr Ungesunde unter den Vielschläfern gibt, könnte durch die Erkrankungen selbst bedingt, also eher Symptom als Ursache sein.
Ist vor- oder nachschlafen sinnvoll?
Kann ein Nickerchen zu wenig Nachtruhe ersetzen?
Die Ergebnisse der Studie sprechen dafür. Innerhalb der Gruppe der Kurzschläfer hatten nämlich nur diejenigen ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die den Schlaf nicht tagsüber nachholten. Wer tagsüber kleine Nickerchen machte, hatte ein ähnlich geringes Risiko wie die Gruppe der sechs bis acht Stunden-Schläfer. Das Vor- oder Nachholen von Schlaf ist aalso nicht unbedingt ungesund.
Eine einfache Faustregel die man aus dieser Studie ziehen kann ist daher: Schläft man insgesamt pro Tag sechs bis acht Stunden, hat man statistisch gesehen ein niedrigeres Risiko Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu bekommen.
Kann Ausschlafen am Wochenende zu wenig Schlaf unter der Woche ersetzen?
Dies untersuchten Forscher und Forscherinnen in Schweden in einer Studie aus dem Jahr 2019. Auch hier deuten die Ergebnisse darauf hin, dass es möglich ist, Schlaf nachzuholen. Wer unter der Woche wenig und am Wochenende viel schlief, war mit derselben Wahrscheinlichkeit gesund in Bezug auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie diejenigen, die kontinuierlich nicht zu viel und nicht zu wenig schliefen. Wer jedoch unter der Woche mehr als sechs Stunden und dazu noch mehr am Wochenende schlief, hatte ein erhöhtes Risiko.
Ist nur die durchschnittliche Stundenzahl relevant?
Natürlich sind Faustregeln bequem. Sie erlauben uns unkomplizierte Handlungsanweisungen zu geben, die einfach zu befolgen sind: Schlafe im Durchschnitt sechs bis acht Stunden pro Nacht und du wirst nicht mehr ungesund sein. Leider sind naturwissenschaftliche Aussagen selten so eindeutig. Das gilt auch für diese Frage. Andere Studien als die bisher Genannten zeigen, dass Durchbrechungen des Schlaf-Wach-Rhythmus sehr wohl einen Effekt auf unseren Körper haben und auch ungesund sein können. Sie bringen unseren Körper durcheinander indem sie Prozesse, welche parallel ablaufen sollten, asynchronisieren.
Wir haben zwei innere Uhren
Während wir schlafen, sorgt unser Gehirn dafür, dass sich verschiedene Körperfunktionen verändern. Es kommt zu Körpertemperatur-, Hormon-, Blutdruck- und Herzfrequenzänderungen. Diesen durch das Gehirn beeinflussten Rhythmus des Körpers nennen wir zentrale innere Uhr oder wissenschaftlicher: Zentralen zirkadianen Rhythmus. Wir können ihn selber beeinflussen, indem wir entscheiden wann wir schlafen.
Gleichzeitig werden andere Prozesse unseres Körpers durch sogenannte CLOCK-Gene beeinflusst. Diese Gene unterliegen einem 24-Stunden-Rhythmus. Ihre Aktivität durchläuft also einen Kreislauf, der sich nach einem Tag wiederholt. Sie sitzen in der Hauptschlagader, Herz- und Gefäßmuskelzellen und beeinflussen unter anderem unseren Blutdruck und unsere Herzfrequenz. Dieses Phänomen nennen wir periphere innere Uhr oder peripheren zirkadianen Rhythmus. Diese zyklischen zellulären Veränderungen können wir selber nicht durch unser Verhalten beeinflussen.
Und hier liegt das Problem an unregelmäßigen Schlaf-Wach-Rhythmen: Die Zellen, die CLOCK-Gene enthalten, folgen akribisch einem vorher festgelegten 24 stündigen Plan. Zum Beispiel erhöhen sie unseren Blutdruck immer vormittags. Gleichzeitig ist der zentrale zirkadiane Rhythmus verformbar und unterliegt durch unser Verhalten großen Schwankungen. Dadurch kommt es dazu, dass unsere beiden inneren Uhren nicht mehr synchron laufen.
Das könnte praktisch heißen: Wachen wir vier Uhr nachmittags nach einem Mittagsschläfchen auf, so interpretiert die zentrale innere Uhr dies, als wäre Morgen, während für die periphere innere Uhr Nachmittag ist. Dieses Durcheinanderbringen unserer inneren Uhren und unseres Schlafes führt zu Stressreaktionen und ist vermutlich ungesund.
Schlafe ich zu viel?
Achtung! Vielleicht habt ihr jetzt schon ein wenig gerechnet und festgestellt, dass ihr etwas mehr als acht oder weniger als sechs Stunden durchschnittlich pro Nacht schlaft. Dies kann, muss aber nicht auf ein erhöhtes Erkrankungsrisiko hinweisen. Wie viel Schlaf ein Mensch pro Nacht benötigt, ist von Person zu Person unterschiedlich.
Abhängig ist der Schlafbedarf unter anderem von der individuellen Länge der Schlafzyklen, Aktivität während des Tages, psychischer Belastung und vom Alter. Dies sollte man beachten, wenn man sich Studien wie die oben genannten anschaut. Hier wurden ausschließlich Personen im mittleren Lebensabschnitt betrachtet. Für über 65 Jährige und Kinder gelten diese Zahlen nicht.
Müdigkeit als Krankheitssymptom
Viele verschiedene Erkrankungen sind mit vermehrter Müdigkeit und dadurch mehr Schlaf verknüpft. Habt ihr also, obwohl ihr genug schlaft, das Bedürfnis euch oft auszuruhen oder schlaft ihr übermäßig viel, könnte das Hinweis auf eine versteckte Erkrankung sein.
Schlaf ist in diesem Falle nicht selbst ungesund, sondern das Zeichen dafür, dass ihr ungesund seid.
Menschen mit depressiven Episoden leiden unter gedrückter Stimmung, Interessensverlust und Antriebslosigkeit. Zusätzlich kann es zu vielen anderen Symptomen kommen, zu denen Schlafstörungen und Müdigkeit gehören.
Schilddrüsenunterfunktion
Bei einer Schilddrüsenunterfunktion mangelt es dem Körper an den Schilddrüsenhormonen T3 und T4. Meistens ist die Ursache die Autoimmunkrankheit Hashimoto-Thyreoiditis oder ein extremer Jodmangel. Symptome sind unter anderem erhöhte Erschöpfbarkeit und Müdigkeit, Gewichtszunahme, Kälteintoleranz, Haarausfall und Verstopfungen.
Bekämpft unser Immunsystem einen Erreger wie zum Beispiel Corona-, Grippeviren oder auch Bakterien, so braucht es dafür viel Energie. Diese Energie sichert es sich, indem es Faktoren ausschüttet, die uns müde machen. Wir legen uns hin anstatt uns zu bewegen und sparen diese Energie so ganz intuitiv ein.
Anämie oder auch Blutarmut bezeichnet den Mangel an roten Blutkörperchen oder Hämoglobin. Letzteres befindet sich in den roten Blutkörperchen und ist ein eisenhaltiger Proteinkomplex, der für den Sauerstofftransport in unserem Körper zuständig ist. Eine Anämie führt daher zu vermindertem Sauerstofftransport zu den Organen. Das ist sehr ungesund: Die Organe werden unterversorgt, woraus Erschöpfungszustände und auch Müdigkeit resultieren. Weitere Anzeichen für eine Anämie sind Schwindel, Blässe und Luftnot.
Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Zu Herz-Kreislauf- oder auch kardiovaskuläre Erkrankungen zählen Pathologien des Herzens und der Blutgefäße. Blutdruckveränderungen, koronare Herzkrankheit, Herzmuskelentzündungen und Herzrhythmusstörungen sind nur ein kleiner Teil von ihnen. Diese Krankheiten sind weit verbreitet und gehören in Deutschland zu den häufigsten Todesursachen. Leider sind ihre Symptome anfangs oft sehr unspezifisch und werden oft zu spät ernst genommen. Müdigkeit gehört zu diesen unspezifischen Symptomen, da der Körper mehr Energie verbrauchen muss um alle Organe adäquat zu versorgen. Dies führt zu schneller Erschöpfung und verminderter Leistungsfähigkeit. Auch hier ist der vermehrte Schlaf ein Zeichen dafür, dass ihr nicht gesund seid.
Häufige Fragen zum Artikel
Schlaf benötigt unser Körper zur physischen und psychischen Regeneration. Im Laufe des Tages lagern sich zum Beispiel viele Abfallprodukte im Gehirn ab. Während der Nacht wird dieser molekulare Abfall durch Flüssigkeit weggeschwemmt. Forscherinnen und Forscher konnten feststellen, dass Menschen die zu wenig Schlafen eher zu Proteinablagerungen im Gehirn neigen und so ein größeres Risiko für neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer haben. Doch zu wenig Schlaf erhöht auch das Risiko für viele andere Krankheiten: Bluthochdruck, Übergewicht, Psychosen und viele mehr.
Der Blutdruck wird durch die periphere und die zentrale innere Uhr beeinflusst. Er sinkt mit Einsatz des Schlafes, hat in der Mitte der Nacht sein Minimum und steigt im letzten Schlafdrittel wieder an. Im Laufe des Vormittags ist er am höchsten. Diese morgendliche Hypertonie erklärt das vermehrte Auftreten Schlaganfällen, Herzinfarkten und plötzlichem Herztod zu dieser Zeit.
CLOCK ist die Abkürzung für circadian locomotor output cycles kaput. Zu ihnen werden verschiedene Gene gezählt, welche in Hauptschlagader-, Herz- und Gefäßmuskelzellen sitzen. Durch ihre An- und Abschaltung wird der Zustand ihrer Zellen beeinflusst. Dies führt wiederum zu Blutdruck- und Herzfrequenzveränderungen. Interessant an CLOCK-Genen ist, dass sie ihre Aktivität selber regulieren können. Dies geschieht nicht willkürlich sondern passend nach einem Muster, welches einem 24-Stunden-Rhythmus folgt. Sie sind also wirklich kleine Uhren!
Innerhalb einer Nacht durchlaufen wir verschiedene Schlafphasen. Von Phase zu Phase wird unser Schlaf tiefer und es schwieriger uns aufzuwecken. Werden wir mitten in der Nacht geweckt, ist es relativ wahrscheinlich, dass wir gerade sehr tief schlafen. Dementsprechend fühlen wir uns müde und vielleicht sogar etwas verwirrt wenn wir aus dem Schlaf gerissen werden. Bei einem 20 minütigen Mittagsschlaf gelangen wir oft gar nicht erst in so eine Tiefschlafphase. Dadurch dass wir nur leicht schlafen, sind unsere Gehirnaktionen denen des Wachzustandes noch relativ ähnlich und der Prozess des Aufwachens bedeutet nicht so eine starke Umstellung für den Körper. Das Aufwachen fällt uns also leichter und wir finden uns schneller wieder in der Welt des Wachzustandes zurecht.