bsb-logo
menu

Schlafstörungen

Mikrobiom: Wie Darmbakterien unseren Schlaf verändern

Unser Dickdarm von innen: Was hier alles lebt, ist ohne Mikroskop kaum vorstellbar. Dimitry Kov
Siobhan Weiss

Veröffentlicht von Siobhan Weiss am 08.04.2020

Das Mikrobiom. Seit einigen Jahren sprechen nicht mehr nur Mediziner und Wissenschaftler von ihm. Es scheint im Mainstream angekommen zu sein. In jedem zweiten Lifestylemagazin erhält man regelmäßig Rezepte von Gerichten, die wertvolle Probiotika enthalten. Die Drogeriemärkte sind voll von probiotischen Nahrungsergänzungsmitteln. Mich als Medizinerin interessiert: Wie interagiert unser Mikrobiom mit dem restlichen Körper wirklich? Und beeinflusst es auch unseren Schlaf?

Was ist das Mikrobiom eigentlich?

Medizinisch gesehen ist das Mikrobiom die Gesamtheit all der Bakterien und Pilze, welche im und auf dem Körper eines gesunden Menschen leben. Auch wenn man Bakterien und Pilze oft nicht mit Gesundheit, sondern unangenehmen Krankheiten assoziiert, sind einige von ihnen tatsächlich sehr wichtig für unsere Gesundheit. Sie besiedeln unsere Haut und große Teile der Schleimhäute unseres Magen-, Darm- und Urogenitaltrakts. Sogar im Pankreasgang kann man einige Pilze finden!

Und das sind auch nicht wenige: Insgesamt besteht unser Mikrobiom aus 39 Billionen Bakterien und Pilzen! Im Vergleich: Ein durchschnittlich großer Mensch hat um die 30 Billionen Zellen.

Man könnte also sagen, wir sind mehr Mikroorganismus als Mensch!

Bakterien: Mal Schädlinge, mal Helfer

Zunächst einmal sind nicht alle Mikroorganismen gut für uns. Schauen wir uns die Bakterien an, die an und in unserem Körper leben können, so kann man sie grob in drei Gruppen unterteilen:

Der weitaus größte Teil der Bakterien unseres Körpers sind Kommensalen. Sie bewuchern unseren Körper nur und beeinflussen ihn weder in guter noch in schlechter Weise. Gewissermaßen haben sie ihn sich nur als Lebensraum ausgewählt und profitieren von ihm. Währenddessen macht es für unseren Körper keinen wirklichen Unterschied ob sie da sind oder nicht.

Dann gibt es Bakterien, die wir Mediziner pathogen nennen. Damit ist gemeint, dass sie nicht gut für uns sind und sogar Krankheiten auslösen können. Ein pathogenes Bakterium, welches auch in den Medien eine gewisse Prominenz hat, heißt zum Beispiel Salmonella. In schlecht gekühltem Fleisch vermehrt es sich schnell und löst schweren Durchfall und Erbrechen aus.

Die dritte Gruppe sind die Bakterien, von denen wir insbesondere in Bezug auf den Verdauungstrakt in letzter Zeit immer wieder hören. Sie sind Bakterien, die gut für uns sind, da wir sie für uns arbeiten lassen. Das funktioniert so: Einige Nahrungsmittel, die wir zu uns nehmen, kann unser Darm nicht vollständig verwerten. Ihm fehlen die entsprechenden Enzyme, welche diese Nahrungsbestandteile aufspalten und so für die Aufnahme in unseren Blutkreislauf verfügbar machen. Dazu gehören zum Beispiel Ballaststoffe wie Cellulose oder Pektin, welche viel in Obst, Gemüse und Hülsenfrüchten enthalten sind. Unser Mikrobiom spaltet diese Ballaststoffe nun so auf und verändert sie, dass sie über den Darm aufgenommen und verwertet werden können. Auch viele Vitamine müssen zunächst durch das Mikrobiom aus ihren Bindungen gelöst und modifiziert werden.

Diese Aufteilung in gute, schlechte und neutrale Bakterien ist jedoch sehr vereinfacht. Beispielsweise können gute oder neutrale Bakterien auch pathogen wirken, wenn sie zu viel vorhanden sind oder an die falschen Stellen im Körper gelangen.

Darmbakterien beeinflussen den ganzen Körper

Zu den häufigsten Bakterien im Darm zählen solche, die den Stämmen Firmicutes und Bacteroides zuzuordnen sind. Firmicutes und Bacteroides sind insofern interessant, als dass sie aus Ballaststoffen kurzkettige Fettsäuren herstellen. Diese kurzkettigen Fettsäuren wiederum, haben zahlreiche Wirkungen auf den Körper. Dazu zählen positive Effekte auf das Immunsystem, wie zum Beispiel die Aktivierung der Herstellung von wichtigen Immunzellen und Botenstoffen des Immunsystems. Außerdem stimulieren sie die Insulinausschüttung und steigern das Sättigungsgefühl. Sie beeinflussen auch den Blutdruck positiv. Kurzkettige Fettsäuren sind also richtige Alleskönner in Bezug auf das Herz-Kreislauf-System.

Durch die Herstellung von Fettsäuren helfen Darmbakterien uns vielen Krankheiten vorzubeugen!

Was Mikroorganismen noch können

Doch das war noch nicht alles. In Studien wurde herausgefunden, dass Darmbakterien sogar unser Körpergewicht beeinflussen: Haben wir im Verhältnis mehr Firmicutes- als Bacteroidesbakterien, nehmen wir schneller zu. Das liegt daran, dass die Firmicutesbakterien unsere Nahrungsaufnahme effizienter machen. So werden mehr Bestandteile des Essens und eben auch mehr Kalorien aufgenommen.

Außer dicker oder schlanker zu machen, beeinflusst das Mikrobiom noch viele andere Vorgänge im Körper: Ein unbalanciertes Mikrobiom kann Angststörungen und Depressionen hervorrufen!

Wie das Mikrobiom den Schlaf verändert

Der Schlaf und das Mikrobiom beeinflussen sich gegenseitig. Studien haben gezeigt, dass sich eine größere Diversität des Mikrobioms positiv auf die Schlafeffizienz und die Aufwachhäufigkeit nach dem Einschlafen auswirkt. Man fühlt sich mit weniger Schlaf also ausgeruhter und wacht weniger oft nachts auf. Die Forschungsergebnisse sind sogar noch konkreter: Man konnte zeigen, dass manche Arten von Bakterien eher mit einer besseren, andere mit einer schlechteren Schlafeffizienz korrelieren. Zu den schlafverbessernden Bakterien gehören die schon genannten Firmicutes und Bacteroidetes. Bakterien, die sich eher negativ auf den Schlaf auswirken, sind beispielsweise Corynebakterien.

Zu den genauen Mechanismen dahinter gibt es bis jetzt nur Vermutungen: Um den schlaffördernden Effekt der Firmicutes und Bacteroidetes zu verstehen, muss man sich wieder in Erinnerung rufen, dass sie indirekt die Produktion von Botenstoffen des Immunsystems fördern. Diese Botenstoffe wiederum machen müde und könnten für einen tieferen Schlaf sorgen. Die Corynebakterien könnten den Schlaf durch eine vermehrte Produktion des anregenden Transmitters Glutamat verschlechtern.

So könnt ihr einen direkten Nutzen aus der Forschung ziehen

Durch eine gezielte Ernährung ist es möglich, die Zusammensetzung unseres Mikrobioms zu beeinflussen. Ähnlich wie verschiedene Tierarten, ernähren sich auch verschiedene Bakterienarten besonders gerne von bestimmten Nahrungsmitteln. Indem wir gezielt von bestimmten Dingen mehr und anderen weniger essen, können wir also auch gezielt die Bakterien, von denen wir mehr haben möchten, füttern. Auf der anderen Seite ist es so auch möglich, bestimmte Bakterienarten auszuhungern. Dieses Wissen in Zukunft gezielt bei einzelnen Personen anzuwenden, daran arbeiten zur Zeit zahlreiche Forschungslabors in aller Welt.

Die Vision: Das individuelle Mikrobiom einer Person zu analysieren und daraus einen für ihren Körper optimalen Ernährungsplan erstellen.

Fazit

Nach meiner Recherche muss ich sagen, dass mich unser Mikrobiom immer mehr beeindruckt: Es bietet unglaublich viele Möglichkeiten, seinen Körper gezielt zu designen und ist sicherlich die unbekannte Ursache vieler Beschwerden. Ich bin gespannt, wie sich die Forschung diesbezüglich in den nächsten Jahren weiterentwickelt!

Häufige Fragen zum Artikel

.

Quellenverzeichnis

Siobhan Weiss

Medizinstudentin und Schlafexpertin

Siobhan studiert Medizin und möchte sich später auf Neurologie spezialisieren. Ihr großes Interesse für das Thema Schlaf entwickelte sie, als sie sich im Studium mit der Entwicklung des Gehirns auseinandersetzte. Bei besserschlafen.de ist Siobhan dafür zuständig, komplexe medizinische Inhalte so zu erklären, dass jeder sie verstehen kann. So möchte sie ihre Faszination für den menschlichen Körper mit vielen Menschen teilen. In ihrer Freizeit macht Siobhan viel Sport und schläft auch gerne mal aus.

siobhan@besserschlafen.de