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Schlafmittel

Gelatine und Glycin: Besserer Schlaf (fast) ohne Nebenwirkungen

Viel Gelatine ist in gelierten Süßigkeiten enthalten. Glencarrie
Siobhan Weiss

Veröffentlicht von Siobhan Weiss am 11.07.2020

Gelatine enthält mehr Glycin als jedes andere Nahrungsmittel. Wie hilft Glycin beim Einschlafen? Und welche Vorteile hat es gegenüber herkömmlichen Schlafmitteln? Gibt es vegane Alternativen? Wir haben uns da mal erkundigt.

Was ist Gelatine?

Gelatine besteht aus geschmackslosen tierischen Proteinen. Sie wird aus dem Bindegewebe der Tiere gewonnen. Dazu werden Haut und Knochen chemisch so verarbeitet, dass das Kollagen herausgelöst wird. Dieses stellt den Hauptbestandteil der Gelatine dar. 

Gelatine besteht also vor allem aus tierischen Eiweißen. Sie unterscheidet sich in seiner Aminosäurezusammensetzung jedoch von anderen Nahrungsmitteln: Gelatine enthält kaum Tryptophan, dafür hat sie einen hohen Glycinanteil von 20 Gramm pro 100 Gramm Gelatine.

An so einen hohen Glycinanteil wie Gelatine kommt kein anderes natürliches Lebensmittel!
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Tryptophan

Tryptophan ist eine essentielle Aminosäure. Das bedeutet, dass wir sie über die Nahrung zusätzlich zu uns nehmen müssen, da unser Körper sie nicht selbst produzieren kann. Das ist wichtig, denn unser Körper benötigt Tryptophan für die Herstellung zahlreicher lebenswichtiger Stoffe. Einer davon ist unser Schlafhormon Melatonin.

Gelatine kennt ihr sicherlich vom Kochen und Backen: Man verwendet sie oft zum Gelieren von Desserts und Fleisch- und Wurstwaren. Doch sie wird industriell an mehr Orten angewendet als ihr vielleicht vermutet: In Seifen, Zahnpasta, Fotopapier und zahlreichen Arzneimittel ist Gelatine versteckt.

Das Glycin in der Gelatine hilft beim Einschlafen

Was ist Glycin?

Glycin macht ein Fünftel der Gelatine aus. Sie ist die kleinste Aminosäure. Das bedeutet jedoch keinesfalls, dass sie unwichtig ist. Im Gegenteil: Sie ist zum einen Bestandteil zahlreicher Eiweiße in unserem Körper.

Knochen, Muskel, Haut und Organe können ohne Glycin nicht arbeiten.

Andererseits wirkt sie im zentralen Nervensystem als hemmender Signalstoff. Sie hemmt also die neuronale Aktivität. Was passiert, wenn die Glycinausschüttung im Rückenmark gehemmt wird, sieht man beim Tetanus: Durch eine verminderte Hemmung motorischer Neurone kommt es zu lebensbedrohlichen Krämpfen.

Hilft Glycin beim Einschlafen?

Mehrere Studien konnten feststellen, dass schon drei Gramm Glycin spürbar beim Einschlafen helfen können. Das ist kein Plazeboeffekt: Durch seine hemmende Wirkung im Gehirn hilft Glycin, die Gehirnaktivität herunterzufahren und erleichtert so das Einschlafen.

Doch nicht nur die Einschlafzeit verkürzt sich: Mit Glycin sind die Tiefschlafphasen länger!

Proband*innen berichten von einem erholsameren und längerem Schlaferlebnis. Auch Menschen, die schon lange unter schweren Schlafstörungen leiden, konnte mit Glycin geholfen werden.

Welche Vorteile hat Glycin gegenüber anderen Schlafmitteln?

Klassische Schlafmittel, wie Benzodiazepine sind dafür bekannt, schnell, stark und zuverlässig zu bewirken. Sie haben jedoch große Nachteile: Erleichtern sie zwar das Einschlafen, erhalten sie die natürlichen Schlafmuster eher nicht. Man schläft unruhiger und weniger tief.

Dies ist ein großer Vorteil des in Gelatine enthaltenen Glycins: Es sorgt für einen tieferen Schlaf und erhält natürliche Schlafmuster. Außerdem spürt man die Effekte am nächsten Tag allenfalls positiv: Proband*innen berichten von einer besseren Funktionalität im Alltag durch die schlaffördernde Wirkung des Glycins. Niemand berichtete von Müdigkeit und Abgeschlagenheit am nächsten Tag, was häufig unerwünschte Nebenwirkungen von herkömmlichen Schlafmitteln sind.

Haben Glycin und Gelatine Nebenwirkungen?

Glycin: Nein

Tatsächlich sind keinerlei Nebenwirkungen von Glycin bekannt. Da es eine natürliche Aminosäure ist, setzt der Körper sie zu anderen Stoffen um, hat er genug davon.

Gelatine: wenige

Gelatinetabletten können in seltenen Fällen Magenprobleme, Aufstoßen und Blähungen verursachen. Außerdem reagieren einige Menschen allergisch auf Gelatine.

Welche Effekte haben Glycin und Gelatine noch?

Glycin sorgt für eine verbesserte Gedächtnisleistung: Es wirkt am NMDA-Rezeptor, der an einem Prozess beteiligt ist, welcher dazu beiträgt Informationen vom Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis zu transportieren. Dies konnte sogar in Studien gezeigt werden: Teilnehmer*innen fiel es nachdem sie Glycin nahmen leichter, gelernte Informationen abzurufen. Auch die Konzentrationsfähigkeit verbesserte sich.

Glycin und Gelatine wirken außerdem:

  • Antientzündlich
  • Blutzuckersenkend
  • Gegen Aufstoßen
  • Als Magenschleimhautschutz
  • Durchblutungsverbessernd
  • Blutdrucksenkend

Gelatine wird auch als Aufbaustoff für Knorpel, Knochen und Bindegewebe eingesetzt. Es findet daher in der Rheuma- und Arthroseprävention Anwendung.

Welche veganen Alternativen gibt es zur Gelatine?

Zur Schlafförderung kann man versuchen, Gelatine durch vegane glycinhaltige Lebensmittel zu ersetzen: Walnüsse, Kürbiskerne und Reis enthalten zum Beispiel Glycin. Ersetzbar ist Gelatine in Bezug auf ihren Glycingehalt auf natürliche Weise doch leider eher nicht:

Kein pflanzlicher Stoff enthält so viel Glycin wie Gelatine.

In der Küche ist Gelatine jedoch leicht ersetzbar: Agaragar, ein Stoff, der aus Algen gewonnen wird, geliert sogar viel stärker als Gelatine!

Häufige Fragen zum Artikel

Quellenverzeichnis

Siobhan Weiss

Medizinstudentin und Schlafexpertin

Siobhan studiert Medizin und möchte sich später auf Neurologie spezialisieren. Ihr großes Interesse für das Thema Schlaf entwickelte sie, als sie sich im Studium mit der Entwicklung des Gehirns auseinandersetzte. Bei besserschlafen.de ist Siobhan dafür zuständig, komplexe medizinische Inhalte so zu erklären, dass jeder sie verstehen kann. So möchte sie ihre Faszination für den menschlichen Körper mit vielen Menschen teilen. In ihrer Freizeit macht Siobhan viel Sport und schläft auch gerne mal aus.

siobhan@besserschlafen.de