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Schlafmittel

Akupunktur: Nadelstiche gegen Schlaflosigkeit

Die Wirkung von Akupunktur ist weit mehr als nur Plazeboeffekt. Antonikachanel
Siobhan Weiss

Veröffentlicht von Siobhan Weiss am 26.09.2020

Akupunktur wird in der traditionellen chinesischen Medizin seit Jahrtausenden gegen Schlafstörungen angewendet. Können Nadelstiche uns wirklich besser schlafen lassen oder wirkt Akupunktur höchstens als sehr aufwändiges Plazebo? Wir haben uns schlau gemacht.

Akupunktur, was ist das?

Akupunktur wird in der traditionellen chinesischen Medizin seit über 2000 Jahren angewendet. Dabei werden bestimmte Körperpunkte aufgesucht und durch Nadelstiche bearbeitet.

Wo genau diese Punkte liegen und wie sie gestochen werden ist dabei genau festgelegt und beruht auf Jahrtausende altem Wissen: Die traditionelle chinesische Medizin geht davon aus, dass unsere Lebensenergie, das sogenannte „Qi“, auf Bahnen durch unseren Körper fließt. Diese Bahnen heißen „Meridiane“.

Krankheiten, die mit Akupunktur behandelt werden, beruhen auf Störungen des Flusses der Lebensenergie. Daher helfe es, diesen Energiefluss durch Nadelstiche in spezielle Punkte auf den Meridianen, zu regulieren. Unsere Lebensenergie werde wieder ins Gleichgewicht gebracht und die betroffene Person geheilt.

Zugegeben: Für mich klingt das zunächst alarmierend unwissenschaftlich und esoterisch. Doch seit einigen Jahren hat Akupunktur sich ihren Platz in der Schulmedizin erkämpft: Akupunktur wird von zehn Prozent der niedergelassenen Ärzt*innen angeboten.

40 Prozent der Orthopäd*innen und Allgemeinärzt*innen bieten die Akupunktur-Behandlung in ihrer Praxis an.

Dahinter stecken zahlreiche Studien, die immer wieder zeigen: Die Wirkung von Akupunktur ist weit mehr als ein Plazeboeffekt.

Hilft Akupunktur gegen Schlafstörungen?

Lange vermuteten Wissenschaftler*innen, dass Akupunktur nur eine Plazebowirkung hat: Die vermehrte Zuwendung des*r Behandelnden, das stressreduzierende Umfeld und vor allem der Glaube an die Wirkung lasse die betroffene Person besser schlafen.

Mittlerweile zeigen jedoch mehrere Studien:

Die schlaffördernde Wirkung von Akupunktur ist weit mehr als ein Plazebo!

Eine chinesische Studie aus dem Jahr 2017 zeigt dies eindrucksvoll an 60 Proband*innen:

Forschende verglichen die Wirkung der „echten“ Akupunktur mit einer Art „Schein“-Akupunktur: Bei dieser Form der Akupunktur, werden exakt die gleichen Utensilien an denselben Stellen verwendet. Die Nadeln werden aber deutlich weniger tief gestochen, sodass die entsprechenden Akupunkturpunkte nicht getroffen werden können.

Die Ergebnisse waren eindeutig: Die echte Akupunktur schnitt in allen Punkten deutlich besser ab, als die Plazebokontrolle!

Die Patient*innen schliefen deutlich länger, wachten nachts seltener auf und fühlten sich tagsüber ausgeruhter.

Akupunktur kann also wirklich gegen Schlafstörungen helfen.

Wann wird Akupunktur eingesetzt?

Akupunktur kann gegen viele Erkrankungen verschrieben werden. Sie wird in Deutschland vornehmlich gegen chronische Schmerzen des Bewegungsapparats und Kopfschmerzen eingesetzt. Aber es gibt mittlerweile zahlreiche Erkrankungen, bei denen Akupunktur Linderung verschaffen kann:

  • Migräne, chronische Kopfschmerzen
  • Rücken-, Gelenkschmerz
  • Rheuma, Arthritis
  • Neurologische Erkrankungen, Lähmungen
  • Schwindel, Tinnitus
  • Schwäche, Burnout
  • Angststörungen, Depression
  • Suchterkrankungen
  • Allergien, Asthma
  • Magen-Darm-Erkrankungen
  • Geburtseinleitung, Schwangerschafts-, Menstruations- und Wechseljahresbeschwerden
  • Ekzeme, Akne
  • Schlafstörungen

Welche Nebenwirkungen hat Akupunktur?

Akupunktur ist ein sehr schonendes, nebenwirkungsarmes Heilverfahren. Dennoch gibt es ein geringes Risiko für einige nicht wünschenswerte Effekte:

  • Blaue Flecken um die Einstichstelle
  • Schwindel, Taubheit, Ohnmacht: Passiert nur bei zu starken oder nicht richtig ausgeführten Einstichen.
  • Pneumothorax: Wenn die Nadel versehentlich in den Spalt zwischen Lunge und Brustkorb gestochen wurde, kann es zum Ungleichgewicht der Druckverhältnisse der Lungenflügel kommen. Das kann ein Notfall sein und einen Krankenhausaufenthalt erfordern. Ein Pneumothorax tritt aber nur bei einer von einer Million Akupunktur-Behandlungen auf.

Warum wirkt Akupunktur?

Diese Frage kann naturwissenschaftlich leider noch nicht befriedigend beantwortet werden. Viele Forschende vermuten einen Zusammenhang mit Botenstoffen, die durch den Einstich vermehrt ausgeschüttet werden. Hierzu zählen Adenosin, Serotonin und GABA.

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Botenstoffe, die bei Akupunktur eine Rolle spielen könnten

Adenosin

Adenosin zählt zu den hemmenden Neurotransmittern: Es hemmt die Ausschüttung von anregenden Stoffen, entspannt die Blutgefäße, senkt die Herzfrequenz und den Blutdruck. Es wirkt auch direkt auf unser Schlaf-Wach-Zentrum im Gehirn, den Hypothalamus: Wir werden müde. Wissenschaftler*innen haben festgestellt, dass an den Akupunkturpunkten vermehrt Adenosin ausgeschüttet wird. Unsere Nervenaktivität wird also gehemmt, der Blutdruck sinkt und wir werden müde.

 

Serotonin

Serotonin ist unser Glückshormon. Es wird im Gehirn produziert und ausgeschüttet, aber auch an Stellen, an denen wir uns verletzen. An der Stelle, an der das Gewebe lädiert ist, sorgt Serotonin für eine bessere Gerinnung und hilft so, die Wunde schnell zu schließen. Außerdem hemmt Serotonin den Schmerz. Die schmerzstillende Wirkung von Akupunktur könnte also mit der vermehrten Ausschüttung von Serotonin zusammenhängen.

 

GABA

GABA ist unser wichtigster hemmender Botenstoff im Gehirn. Er sorgt für eine verminderte Aktivität von Nerven und kann so unter anderem Schmerz, Schlaf und Muskelaktivität regulieren. Forschende schreiben auch GABA eine Wirkung in der Akupunktur zu.

Interessant finde ich: Die traditionellen Akupunkturpunkte haben anatomische Gemeinsamkeiten. Wissenschaftler*innen konnten zeigen, dass hier viele kleine Blutgefäße und Nervenbahnen, die mit den inneren Organen verbunden sind, zusammenlaufen.

Wie erkenne ich eine*n gute*n Akupunkteur*in?

Um Akupunktur anzubieten, muss man nicht Medizin studiert haben: Auch Heilpraktiker*innen bieten Akupunktursitzungen an. Aber Vorsicht:

Akupunkturbehandlungen von Anbieter*innen, die keine Ärzt*innen sind, werden nicht von der Kasse gezahlt!

Außerdem ist die Ausbildung zum*r Heilpraktiker*in nicht genau definiert. Um den Titel Heilpraktiker*in zu tragen, muss man noch nicht mal zwingend eine Heilpraktikerschule besucht haben.

Meine Empfehlung: Wenn ihr sichergehen wollt, eine gute Behandlung zu erhalten und keine andere Empfehlung von Freunden oder Bekannten habt, wendet euch lieber an eine*n qualifizierte*n Ärzt*in.

Für Ärzt*innen gilt:

  • Sie müssen eine 140stündige Zusatzausbildung zum*r Akupunkteur*in machen.
  • Es gibt zusätzlich Qualitätssiegel von der Qualitätsinitiative Akupunktur, welche nur an Behandelnde vergeben werden, welche besondere Therapiestandards und Leitlinien einhalten, über eine gute Ausbildung und fundierte Erfahrung verfügen.

Gute Akupunkteur*innen achten auf das gesamtheitliche Konzept der Therapie

  • Ausführliches Gespräch und Informationen zur Therapie und ihrem Ablauf vor Therapiebeginn
  • Angenehme Atmosphäre: ruhiger, warmer Raum
  • Zusätzliche Angebote und Empfehlungen: Qigong, Ernährungsberatung, Heilkräuter, Atmungs- und Entspannungsübungen

Häufige Fragen zum Artikel

Quellenverzeichnis

Siobhan Weiss

Medizinstudentin und Schlafexpertin

Siobhan studiert Medizin und möchte sich später auf Neurologie spezialisieren. Ihr großes Interesse für das Thema Schlaf entwickelte sie, als sie sich im Studium mit der Entwicklung des Gehirns auseinandersetzte. Bei besserschlafen.de ist Siobhan dafür zuständig, komplexe medizinische Inhalte so zu erklären, dass jeder sie verstehen kann. So möchte sie ihre Faszination für den menschlichen Körper mit vielen Menschen teilen. In ihrer Freizeit macht Siobhan viel Sport und schläft auch gerne mal aus.

siobhan@besserschlafen.de