Schlaf und Meditation
Achtsamkeit, Meditation und Yoga sind längst keine unbekannten Begriffe mehr im westlichen Kulturkreis. Das Angebot an spirituellen Veranstaltungen und Meditations-Workshops nimmt stetig zu. In beinahe jedem Deko-Shop findet sich – neben Duftkerzen und Lichterketten – ein Buddha-Kopf. Supermärkte locken mit Yogamatten zu günstigen Preisen und auch im Büroalltag sollen Achtsamkeitseminare für die nötige Balance sorgen. Ein lukratives Geschäft, das die ehrliche Sehnsucht seiner Konsumenten ausnutzt. Es geht um die Sehnsucht nach Ruhe, weniger Stress und Zufriedenheit.
Im Jahr 2017 erhielten weit über eine Million erwerbstätige Menschen die Diagnose Ein – und Durchschlafstörung (Insomnie). Laut dem aktuellen Barmer Gesundheitsreport bedeutet das einen Anstieg um 111 Prozent seit 2005. Dabei soll die Dunkelziffer noch deutlich höher ausfallen. Denn nur wenige Menschen nehmen ärztliche Hilfe in Anspruch, wenn sie unter Schlafstörungen leiden.
In Zeiten von Selbstoptimierung und im Sinne der Verwertungslogik scheint Schlaf nur noch ein weiteres Mittel zu sein, das der Steigerung des eigenen Leistungspotenzials dient. Gerade in unserem meist rastlosen und unruhigen Alltag, wird Schlaf als Rückzugsort gleichzeitig wichtiger denn je.
Wie sich Achtsamkeit und Meditation auf unsere Gesundheit und im speziellen auf unseren Schlaf auswirkt, ist schon seit einigen Jahren auch von wissenschaftlichem Interesse. In einer klinischen Studie der University of Southern California aus dem Jahr 2015 untersuchten Forschende über einen Zeitraum von einem Jahr die Auswirkungen einer Meditationspraxis auf Menschen mit Schlafstörungen. Die Ergebnisse zeigten eine deutliche Verbesserung der Schlafqualität der Betroffenen.
Mind-wandering und geistige Autonomie
Gerade für die Einschlafphase ist Ruhe und Entspannung wichtig. Oftmals halten uns jedoch unsere Gedanken und der Stress des Alltags stundenlang wach und erschweren diesen Prozess. Aktuelle empirische Forschungsergebnisse zum Phänomen Mind-wandering (Gedankenwandern, wandernder Geist) zeigen, dass wir zwei Drittel der wachen Zeit keine Kontrolle über unsere Gedanken haben. Unbewusste Gedanken, Tagträume und Sorgenschleifen bestimmen den Großteil unseres geistigen Handelns.
Das Verweilen in der Vergangenheit und der sorgenvolle Blick in die Zukunft: Der Geschichten-Erzähler im Kopf, unser ständig andauernder innerer Monolog, lässt viele von uns auch nachts nicht zur Ruhe kommen. Wenn wir abends Schwierigkeiten haben einzuschlafen und in der Nacht nicht durchschlafen, wachen wir müde und kraftlos auf. Der Druck steigt, denn die Arbeit ruft und schnell entsteht ein Teufelskreis.
Im Jahr 2017 erhielten weit über eine Million erwerbstätige Menschen die Diagnose Ein – und Durchschlafstörung (Insomnie).
Jenseits von Selbstoptimierung und Profitmaximierung, können Achtsamkeit und Meditation hier als Mittel der Alltagsbewältigung und Selbstfürsorge verstanden und praktiziert werden. Der Philosoph und Bewusstseinsforscher Thomas Metzinger spricht in diesem Zusammenhang von geistiger Autonomie, die man durch eine regelmäßige Meditationspraxis erhöhen und schützen könne. Es geht dabei um die Fähigkeit sich dieses andauernden Geschichten-Erzählers und dem Wandern im Geiste bewusst zu werden und sich von seiner Unbewusstheit zu emanzipieren. Es geht um die Fähigkeit der geistigen Selbstbestimmung in allen Belangen und Beziehungen unseres Lebens.
Wie Metzinger sagt: „Wir handeln nicht, sondern wir verhalten uns einfach nur geistig. Und das zu ändern erhöht die Freiheit. Das ist die Essenz von geistiger Autonomie.“
Meditationsroutine
Die Vorteile von Achtsamkeit und Meditation für unsere allgemeine Gesundheit sind unbestreitbar und durch zahlreiche Studien wissenschaftlich nachgewiesen.
Dennoch: Achtsamkeit und Meditation erfüllen nicht den Zweck alles Negative in unserem Leben zu eliminieren. Schließlich hängen Stress und Belastung oftmals mit äußeren, gesamtgesellschaftlichen Umständen zusammen, die mit mentalem Training und individuell nicht zu lösen sind. Ebenfalls sollte Skepsis angesagt sein, wenn Selfmade-Gurus mit Slogans wie „Meditiere dich reich und schön“ werben.
Nichtsdestotrotz: Eine regelmäßige Meditationspraxis kann wertvolle Werkzeuge zur Bewusstseinspflege und Erhöhung unserer geistigen Autonomie vermitteln. Wir können lernen uns vor äußeren Stressoren zu schützen und den Gedankenwanderungen – gerade vor dem Schlafengehen – bewusst zu werden und selbstbestimmt entgegenzuwirken. Die Empfehlung von Metzinger lautet hier zwei mal am Tag für mindestens zwanzig Minuten eine Achtsamkeitsmeditation zu praktizieren.
Und so könnte eine Meditation aussehen:
- Leg dich als ersten Schritt in dein Bett. Deine Arme kannst du seitlich neben deinem Körper ablegen. Wichtig ist, dass du dich in einer bequemen und entspannten Position befindest.
- Schließe nun deine Augen und versuche dich vollkommen auf deine Atmung zu konzentrieren. Atme tief und ruhig in Bauch und Brust ein – und wieder aus. Achte darauf, wie sich deine Bauchdecke beim Einatmen ausdehnt und wieder zusammenzieht, wenn du ausatmest.
- Wenn du möchtest, kannst du deine Hände sanft auf deinen Bauch legen und nachfühlen. Spüre wie sich dein Brustkorb hebt und wieder senkt. Lasse deinen Atem ein – und auströmen.
Mit der bewussten Atmung können wir beruhigend auf unser vegetatives Nervensystem wirken. Die Aufmerksamkeit auf etwas Simples und doch existenziell Wichtiges, wie unserer Atmung, hilft, Anspannungen und Stress zu lösen.
- Du wirst wahrscheinlich bemerken, dass sich immer wieder Gedanken einschleichen. Das Ziel ist nicht komplett frei von Gedanken zu sein. Vielmehr geht es darum sich nicht mit seinen Gedanken zu identifizieren. Lass die Gedanken kommen, aber lass sie auch wieder gehen. Versuche immer wieder zurück zu der bewussten Atmung zu kommen.
Nicht vergessen: Nicht alles was du denkt, ist auch wahr.
- Verschiebe die Aufmerksamkeit auf deinen Körper. Wo bist du entspannt? Wo fühlst du noch Anspannungen? Versuche im Zuge des Ausatmens und dem Ausströmen deines Atems alle Anspannungen loszulassen.
- Konzentriere dich nun verstärkt auf die Pausen zwischen dem Ein – und dem Ausatmen. Atme ein und zähle dabei innerlich bis vier. Halte nun für einen kurzen Moment inne und stelle dir dabei vor, wie die Welt für diesen kurzen Moment anhält. Atme dann wieder aus und zähle dabei innerlich bis sechs. Halte wieder für einen kurzen Moment inne. Dann beginnst du wieder von vorne.
Einatmen: 1-2-3-4, Pause, Ausatmen 1-2-3-4-5-6, Pause - und wieder von vorne.
- Vielleicht tauchen während dieser Meditation Bilder vor deinem geistigen Auge auf, die negative Gefühle, wie zum Beispiel Angst oder Wut auslösen. Das ist nicht schlimm. Versuche dich nicht gegen diese Bilder zu wehren. Versuche sie vielmehr mit positiven Bildern zu überschreiben. Das können Momentaufnahmen deines Lebens sein, die du mit positiven Gefühlen verbindest. Vielleicht ist es aber auch ein Ort deiner Fantasie, der dich glücklich und zufrieden stimmt.
- Versuche deine Aufmerksamkeit wieder auf deine Atmung zu richten. Du kannst das Ein – und Ausatmen nun für Visualisierungen der Dinge und Empfindungen nutzen, die dir gut tun oder von denen du dich lösen möchtest. Es geht dabei um abstrakte Dinge, wie zum Beispiel Liebe oder Kraft, aber auch um konkrete Empfindungen, wie zum Beispiel Freude oder Zufriedenheit.
- Hierzu ordnest du dem Ein – und Ausatmen jeweils eine Absicht zu. Stelle dir beim Einatmen vor, wie du all jene Dinge und Empfindungen „einatmest“, die dir in diesem Moment gut tun. Stelle dir dann beim Ausatmen vor, wie du all jene Dinge und Empfindungen „ausatmest“, die dir in diesem Moment nicht gut tun.
Die Verbindung zwischen Visualisierung und Atmung erhöht deine Aufmerksamkeit auf das Hier und Jetzt.
- Solltest du noch nicht eingeschlafen sein, kannst du nun langsam deine Augen öffnen.
Du kannst diese Meditation nach Belieben wiederholen. Nicht nur im Bett – aber auch in Alltagssituationen, in denen du dich unruhig und ängstlich fühlst, kannst du das achtsame Atmen praktizieren. Hier findest du zusätzlich noch ein kurzes Meditations-Video:
Häufige Fragen zum Artikel
Achtsam sein bedeutet geistig im hier und jetzt, beziehungsweise gegenwärtig zu sein. Wer achtsam ist, nimmt seine Umgebung, Gefühle und Gedanken bewusst wahr ohne diese zu bewerten. Achtsamkeit beschreibt eine Bewusstseinsqualität.
Achtsamkeitsübungen dienen dazu, die Fähigkeit des bewussten Wahrnehmens, beziehungsweise des bewusst-seins, zu trainieren.
Einige Vorteile sind:
- Stressreduktion durch Senkung des Stresshormons Cortisol
- Verbesserung der Schlafqualität
- Minderung von Angstsymptomen
- Verbesserung der Gehirnaktivität
- Steigerung der Konzentration, Aufmerksamkeit und Kreativität
- Stärkung des Immunsystems
- Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens
- Senkung des Blutdrucks und Cholesterinspiegels
Meditation ist eine spirituelle Praxis. Dabei gibt es unterschiedliche Techniken, die jeweils unterschiedliche Ziele/Wirkungen haben. Achtsamkeit ist bei jeder Meditation eine Voraussetzung.
Ja: Eine Studie aus dem Jahr 2015, bei der die Auswirkungen einer Meditationspraxis auf Menschen mit Schlafstörungen untersucht wurde, zeigte eine deutliche Verbesserung der Schlafqualität der Betroffenen.