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Lifestyle & Schlaf

Warum ist Gähnen ansteckend?

Foto: Arindam Raha, Pexels.
Pari Sepehrband

Veröffentlicht von Pari Sepehrband am 09.07.2020

Gähnen gilt allgemein als Zeichen von Müdigkeit und regt dabei oft zum Nachahmen an. Wer kennt es nicht, euer Gegenüber setzt zu einem herzhaften Gähnen an und plötzlich gähnt man selber. Warum wir eigentlich gähnen und ob Gähnen wirklich ansteckend ist, erfahrt ihr hier.

Warum gähnen wir?

Gähnen ist ein Reflex, den Menschen und Tiere haben. Im Allgemeinen gilt Gähnen als ein Zeichen von Müdigkeit. Trotzdem tritt es in den unterschiedlichsten Situationen auf. Es kann auch Ausdruck von Langweile und Desinteresse sein. Gähnt man in der Öffentlichkeit, interpretieren das andere Menschen nicht selten als unhöfliche Geste.

Die Wissenschaft, die sich mit dem Phänomen Gähnen beschäftigt, wird als Chasmologie (altgriechisch „Chasma“ = „Abgrund“, „Spalt“) bezeichnet. Gähnen ist in vielen verschiedenen Fachbereichen interessant. So beschäftigt dieser uralte Reflex Wissenschaftler*innen aus der Medizin, der Hirnforschung, der Biologie und der Psychologie. Dennoch: Warum wir gähnen und wozu Gähnen überhaupt gut ist, das ist noch nicht hinreichend erforscht.

Beim Gähnen öffnen wir unseren Mund weit, atmen dabei tief und langsam durch Mund und Nase ein. Dann halten wir kurz inne, bevor wir etwas kürzer ausatmen und parallel den Mund schließen. Lange vermuteten Wissenschaftler*innen, unser Gähnen sei auf einen vorliegenden Sauerstoffmangel zurückzuführen, der mit dem Reflex kompensiert werde. Der Psychologe Robert R. Provine widerlegte diese Annahme im Jahr 1987.

Heute nimmt man an, dass das Gähnen dazu dient, die Aufmerksamkeit zu steigern. In monotonen, fordernden oder anstrengenden Situationen soll es uns wach und konzentriert halten. Einige Wissenschaftler*innen halten das Gähnen für eine Art Stressreaktion unseres Körpers. Diverse Studien zeigten, dass der Gähnreflex unsere Herzfrequenz erhöht und die Leistungsfähigkeit unseres Gehirns steigert - er wirkt somit erregend. Außerdem werde beim Gähnen unser Gehirn gekühlt, fanden Forscher*innen heraus.

Der aktuelle Forschungsstand lässt noch keine genauen Aussagen über Ursache und Zweck des Gähnens zu. Eines ist jedoch sicher: Gähnen ist nicht ausschließlich ein Zeichen von Müdigkeit und Schlafmangel.

Ist Gähnen ansteckend?

Jeder von uns kennt es: Gähnt unser Gegenüber, gähnen wir auch. Das passiert fast automatisch. Das Gähnen ist somit kein rein physiologischer Reflex, sondern auch ein sozialer. Je empathischer jemand ist, desto eher lässt er*sie sich von einem Gähnen anstecken, fanden Forscher*innen heraus.

Empathie ist die Fähigkeit zum Einfühlen und Nachempfinden der Erlebnisse und Gefühle anderer, durch sie kann man menschliche Beziehungen aufbauen und erhalten. (Stangl, 2020)

Sogenannte Spiegelneuronen machen das Gähnen ansteckend. Diese werden auch Stimulations- oder Empathieneuronen genannt. Spiegelneuronen sind Nervenzellen, die als eine Art Resonanzsystem unseres Gehirns fungieren.

Sie reagieren auf die Gefühle und Handlungen unseres Gegenübers und spiegeln diese in unserem Gehirn. Wir erleben diese Gefühle und Handlungen so, als wären sie unsere Eigenen. In dieser, sogenannten emotionalen Spiegelung, sehen Chasmolog*innen die Ursache für das ansteckende Gähnen.

Eine Studie aus dem Jahr 2010, die das Gähnverhalten von Kindern im Alter zwischen eins und sechs Jahren untersuchte, bestätigte die Verbindung zwischen Empathiefähigkeit und dem Ansteckungspotenzial des Gähnreflexes. Kinder unter vier Jahren ließen sich vom Vorgähnen wenig bis gar nicht anstecken. Ältere Kinder antworteten deutlich häufiger mit einem Gähnen. Der Grund: Kinder entwickeln in der Regel erst ab dem vierten Lebensjahr die Fähigkeit zu Empathie.

Übrigens kann bereits das Lesen des Wortes Gähnen zu einer Ansteckung führen. Wie oft musstest du während des Lesens gähnen?

Pari Sepehrband

Als Schauspielerin spielte Pari auf der Bühne und schrieb ihre eigenen Theatertexte. Nach ihrer Schauspielausbildung begann sie das Studium der Publizistik und Theaterwissenschaft. Mittelpunkt ihrer Arbeit ist ein ganzheitliches Verständnis über Gesundheit als Beziehung zwischen Geist und Körper.

pari@besserschlafen.de