bsb-logo
menu

Lifestyle & Schlaf

Chuang Tzu: Schlaf und Traum

Zhuāng Zhōu, chinesischer Philosoph und Dichter. Unkown
Pari Sepehrband

Veröffentlicht von Pari Sepehrband am 30.09.2019

Schlaf ist schon seit jeher Gegenstand der Kunst, Philosophie und Mythologie. Auch der chinesische Philosoph und Dichter Chuang Tzu widmete sich der Erforschung des Phänomens Schlaf.

Das wahre Buch vom südlichen Blütenland

Vor über 2000 Jahren verfasste Chuang Tzu eine Sammlung aus Texten, die Weisheiten und Philosophien über das Leben und den darin verstrickten Menschen enthalten. Das Buch mit dem Titel „Das wahre Buch vom südlichen Blütenland“ gilt als das Hauptwerk des Daoismus und als eines der literarisch schönsten und bedeutendsten Werke der chinesischen Geisteswissenschaft. Auch dem Phänomen Schlaf widmet er darin einige Zeilen.

Info Box Logo

Chuang Tzu (chinesisch. 莊周 / 庄周), gemeinhin bekannt unter dem Namen Zhuangzi (chinesisch. 莊子 / 庄子 = „Meister Zhuang“) war ein chinesischer Philosoph und Dichter. Entgegen seiner einflussreichen Rolle in der Philosophie, ist nur wenig über seine Person bekannt. Informationen über seine Biografie findet man lediglich im Shiji, den Aufzeichnungen des Historikers Sima Qian aus der frühen Han-Zeit.

 

Nach Angaben im Shiji, lebte Chuang Tzu von 369 bis 286 v. Chr. . Somit lebte er in der Periode, die in der chinesischen Geschichte als die „Zeit der streitenden Reiche“ bekannt ist. In der Stadt Meng (heutige Provinz Anhui) im Staate Song geboren, wuchs Chuang Tzu in Armut auf. Der Staat Song unterlag zur damaligen Zeit der tyrannischen Herrschaft des Prinzen Yan. Es waren diese Umstände, die Chuang Tzus philosophische und politische Haltung nachhaltig prägten. Die Bekleidung hoher Ämter lehnte er aufgrund seiner ablehnenden Haltung gegenüber den Machenschaften der Politik ab. Er bevorzugte ein Leben in ehrlicher Armut und verstand seine geistige Freiheit als das höchste Gut, welches er bis zu seinem Tode zu verteidigen wusste.

 

In seiner Philosophie folgte Chuang Tzu dem bedeutendem chinesischen Philosophen Laozi, welcher als Begründer des Daoismus gilt. Zu den bekanntesten Erzählungen Chuang Tzus gehört der „Schmetterlingstraum“.

Schlaf und Wachsein

Im Schlafe pflegt die Seele Verkehr. Im Wachen öffnet sich das körperliche Leben wieder und beschäftigt sich mit dem, was ihm begegnet, und die widerstreitenden Gefühle erheben sich täglich im Herzen.

So schreibt Chuang Tzu in „Verstrickungen der Außenwelt“. Es geht um das Prinzip des Dualismus, der Einheit zweier Grundelemente des Seins. Beide Grundelemente stehen einander in Polarität, Gegensätzlichkeit, ja sogar manchmal in Unvereinbarkeit gegenüber. Und doch bedingt die Existenz des einen Elements, die Existenz des anderen. So gäbe es ohne Dunkelheit kein Licht oder ohne Trauer keine Freude. So verhält es sich auch bei den Erscheinungen Wachsein und Schlaf.

Der Dualismus spielt gerade in der chinesischen Philosophie eine wesentliche Rolle. Genauer gesagt und im Fall von Chuang Tzu geht es um den Daoismus. Hier sind es die Begriffe „Yin“ (陰) und „Yang“ (陽), die das philosophische Prinzip des Dualismus beschreiben. Beide Elemente, Yin auf der einen und Yang auf der anderen Seite, komplettieren einander und befinden sich im stetigen Wandel.

Auch die Erscheinungen Schlaf und Wachsein versteht Chuang Tzu als Elemente dieses Prinzips: In der Nacht löst der Schlaf das Wachsein ab, am Tage ist es das Wachsein, welches den Schlaf ablöst. Beide Elemente, gleich in welcher Form sie auftreten mögen, wirken in der Natur als kosmische Kräfte. Die Einheit dieser komplementären Gegensätze, beziehungsweise Kräfte, bildet aus daoistischer Sicht das höchste Prinzip des Kosmos. Im Daoismus wird dieses Prinzip Taijii (太極) genannt.

Gleichwertigkeit von Schlaf und Wachsein

Die Dummen sind wir. Wir schätzen den Tag höher als die Nacht, das Wachen höher als den Schlaf und den Traum, das Licht höher als den Schatten, das Leben höher als den Tod, das Sein höher als das Nichts […]. Für den Daoisten ergänzen beide einander wie Yin und Yang.

So lautet es in einem Kommentar des Philosophen Günter Wohlfart über den Unterschied, beziehungsweise die Gleichwertigkeit der Gegensätze. In seinem Buch „Zhuangzi“ stellt Wohlfart Chuang Tzus Weisheiten und Gedanken in Hinblick auf seinen historischen und philosophischen Kontext vor. Dabei erschließt sich die Aktualität und Relevanz, die Chuang Tzus Philosophie für den westlichen Leser des 21. Jahrhundert hat.

Der Mensch von heute, so Wohlfart, lebe nicht mehr im Bewusstsein über die Gleichwertigkeit dieser Gegensätze. Dem Wachsein, als Zeit der Aktivität und des Handelns, messe der leistungsorientierte Mensch von heute höheren Wert bei als dem Schlaf. Den Schlaf versuche der Mensch – genauso wie die Dunkelheit und den Tod– aus seinem Leben zu verbannen.

In der daoistischen Weltanschauung und im Sinne von Chuang Tzu gelten beide Gegensätze – Schlaf und Wachsein – hingegen als gleichwertig. Dem schlechten Ruf des Schlafs entgegnet er mit „Der unnütze Baum“: Eine Erzählung über den Nutzen der Nutzlosigkeit.

Seinem Freund Hui Tzu, der die Nutzlosigkeit seines Baumes beklagt, antwortet Chuang Tzu:

[…] Nun habt Ihr so einen großen Baum und bedauert, dass er zu nichts nütze ist. Warum pflanzt Ihr ihn nicht auf eine öde Heide oder auf ein weiteres leeres Feld? Da könntet Ihr untätig in seiner Nähe umherstreifen und in Muße unter seinen Zweigen schlafen. Nicht Beil noch Axt bereitet ihm ein vorzeitiges Ende, und niemand kann ihm schaden. Dass etwas keinen Nutzen hat: was braucht man sich darüber zu bekümmern!

Träumen

Einst träumte Dschuang Dschou, dass er ein Schmetterling sei, ein flattender Schmetterling, der sich wohl und glücklich fühlte und nichts wusste von Dschuang Dschou. Plötzlich wachte er auf: da war er wieder wirklich und wahrhaftig Dschuang Dschou. Nun weiß ich nicht, ob Dschuang Dschou geträumt hat, dass er ein Schmetterling sei, oder ob der Schmetterling geträumt hat, dass er Dschuang Dschou sei, obwohl doch zwischen Dschuang Dschou und dem Schmetterling sicher ein Unterschied ist. So ist es mit der Wandlung der Dinge.

Der „Schmetterlingstraum“ ist wohl die bekannteste Erzählung des Philosophen. Der Schlaf und das Wachsein sind Seinszustände, die miteinander unvereinbar sind. Das heißt beide Zustände können nicht zur gleichen Zeit auftreten. Der Traum jedoch – folgt man Chuang Tzus Gedanken – ist ein Fragment des Wachzustandes im Schlafzustand. Konkreter ein Echo der Wach-Realität in der Schlaf-Realität. Ferner handelt es sich bei einem Tagtraum um ein Fragment des Schlafzustandes, beziehungsweise der Schlaf-Realität in der Wach-Realität.

Diese Vorstellung findet man auch im Taijii wieder: Beide Farbhälften – Schwarz und Weiß – enthalten einen Punkt in der gegensätzlichen Farbe. Ein Fragment des Yin existiert im Yang, ein Fragment des Yang existiert im Yin. In der Art ergänzen sich auch Wachsein und Schlaf.

Wir können festhalten: Träume sind somit das Kostüm, in dem die zwei unterschiedlichen Realitäten in der jeweils anderen Realität als Fragmente auftreten.

In „Schmetterlingstraum“ stellt Chuang Tzu die Frage nach der Wahrheit. Bei welcher Realität handelt es sich nun um die Wahrhaftige? Ist es die Schlaf-, beziehungsweise Traum-Realität oder die Wach-Realität? Ist er Chuang Tzu oder ist er ein Schmetterling?

Dem daoistischen Prinzip entsprechend handelt es sich bei beiden Realitäten, seien sie auch unterschiedlich, um gleichberechtigte Wahrheiten. In ihrer Beziehung zur Wahrheit ist die Traum-Realität nicht minder wahr und wichtig, als jene Realität im Wachzustand. Er ist ein Schmetterling und das ist die Wahrheit. Er erwacht, ist wieder Chuang Tzu und das ist die Wahrheit. Beide Wahrheiten lösen einander ab. Das ist der Wandel der Dinge.

Quellenverzeichnis

Pari Sepehrband

Als Schauspielerin spielte Pari auf der Bühne und schrieb ihre eigenen Theatertexte. Nach ihrer Schauspielausbildung begann sie das Studium der Publizistik und Theaterwissenschaft. Mittelpunkt ihrer Arbeit ist ein ganzheitliches Verständnis über Gesundheit als Beziehung zwischen Geist und Körper.

pari@besserschlafen.de